Rassistische Mobilisierung in Schleswig-Holstein


Thomas Wulff, Karl Richter und Jens Lütke (v.l.)

Obwohl seit mehr als einem Jahr in ganz Deutschland rechte Massenmobilisierungen zum Teil erfolgreich vor allem gegen Geflüchtete hetzen, blieb Schleswig-Holstein lange Zeit eine eigene „Gida“-Bewe­gung erspart. Zwar gab es vereinzelt Versuche, die „besorgten Bürger“ auch hier auf die Straße zu bringen, was vorerst jedoch keiner Gruppierung gelang.
Als im Oktober 2015 bekannt wurde, dass die bereits bestehende Unterkunft für Geflüchtete in Boostedt bei Neumünster erweitert werden sollte, kam es erstmals zu direkten Protesten der Anwohner*Innen gegen die Unterkunft. Von Anfang an beteiligten sich auch Neonazis, vor allem aus dem Spektrum der NPD. Als sich überraschend der Initiator der Mobiliserung, der Boostedter Versicherungsmakler Thorsten Gäbel, von der Initiative distanzierte, versuchten vor allem die NPD-Kader Mark Michael Proch aus Neumünster und Jörn Lemke aus Lübeck die aufgeheizte Stimmung zu nutzen und sich als Wortführer zu inszenieren . Trotz der für die Neonazis günstigen Ausgangslage gelang dies nicht. Der Protest verlief in den folgenden Monaten im Sande, was nicht zuletzt auch den Unterstützer*Innen vor Ort geschuldet ist, die der rassistischen Stimmung durch praktische Arbeit das Wasser abgruben.
Ein Versuch des NPD Kreisverbands Segeberg-Neumünster um Daniel Nordhorn aus der Situation in Boostedt doch noch Kapital zu schlagen, endete im Oktober in einer Niederlage, als sich kein*e einzige*r Anwohner*In zu der angemeldeten Kundgebung in Boostedt einfand und sich die fünf angereisten Neonazis mit starkem Gegenprotesten konfrontiert sahen . Diese Aktion ist beispielhaft für das aktionistische Potential der NPD in Schleswig-Holstein. Nach wie vor sind die meisten Kreisverbände inaktiv und nur der genannte Kreisverband Segeberg-Neumünster und die „JN-Nordland“ treten vereinzelt öffentlich auf. Meist wird dabei gar nicht erst versucht, eine öffentliche Mobilisierung zu erzielen. Für Aktionen wird intern geworben und diese dienen vorrangig der Vernetzung und dem eigenen Zusammenhalt, jedoch weniger der öffentlichen Wahrnehmbarkeit. Entsprechend gelingt es der NPD in Schleswig-Holstein bislang nicht, aus dem aktuellen gesellschaftlichen Rechtsruck politisches Kapital zu schlagen.

Auch in Schleswig-Holstein haben sich in den vergangenen Monaten unzählige „XY-wehrt sich“ Gruppierungen gegründet. Zwar kommen die meisten bislang nicht über ihre Hetze im Internet hinaus, zumindest zwei Gruppierungen ist allerdings der Schritt auf die Straße gelungen. Am erfolgreichsten agiert zur Zeit „Neumünster wehrt sich“. Die Gruppe wurde in sozialen Netzwerken im Oktober 2015 gegründet. Erklärtes Ziel der Betreiber Manfred Riemke, Enrico Pridöhl, und Manuel Fiebinger war von Anfang an eine Kundgebung in Neumünster. Im November dann versuchten etwa 80 Rassist*Innen in Neumünster zu demonstrieren. Damit gelang den Initiatoren die erste ernstzunehmende Neonazidemo seit dem 1. Mai 2012 in Schleswig-Holstein. Die NPD rief nicht zur Teilnahme an der Demonstration auf und stritt im Vorfeld ab, an der Organisation beteiligt zu sein. Trotzdem liessen sich u.a. der Neumünsteraner Ratsherr Mark Proch und der Hamburger JN-Kader Lennart Schwarzbach vor Ort blicken. Neben dem unorganisierten Klientel der braunen Neumünsteraner Subkultur tauchten auch einige altbekannte Gesichter der schleswig-holsteinischen Neonaziszene auf. So trat der ehemalige Kopf der „AG Eutin“ Sebastian Struve, nachdem er lange Zeit nicht öffentlich in Erscheinung getreten war, am 14.11. äußerst selbstbewusst auf und übernahm zeitweise die Wortführerschaft über den Aufzug. Als Struves Handlanger und Ordner agiert der Plöner Neonazi Malte Magnussen. Auch Alexander Kuhr (Heide) und Thomas Krüger (Kiel) tauchten, ähnlich wie Struve, in Neumünster wieder aus der Versenkung auf.
Auch wenn die Demo kaum als Erfolg gewertet werden konnte, da sie bereits nach wenigen Metern von Antifaschist*Innen blockiert wurde , sah sich die Szene dennoch in ihrem Vorhaben bestärkt und kündigte eine zweite Veranstaltung an. Vermutlich um eine erneute Blockade und einen Rechtsstreit mit den Behörden zu vermeiden, wurde diese als stationäre Kundgebung am 16.01.2016 in der abgelegenen Böcklersiedlung in Neumünster abgehalten. Für die eigentlich gewünschte, öffentliche Wahrnehmung ein denkbar schlechter Ort. Gleichzeitig wurde allerdings allerlei braune Politprominenz nach Neumünster gekarrt. Als Hauptredner trat der Münchener Stadtrat und NPD-Mitglied Karl Richter auf. Auch Thomas Wulff reiste aus Teldau (Mecklenburg-Vorpommern) an. Da es den Initiatoren erneut nicht gelang, im Vorfeld abseits der eigenen Social-Media-Gruppen zu werben, fanden sich auch beim zweiten Anlauf nur wenig mehr als 80 Neonazis ein . Damit blieb die Teilnehmerzahl deutlich hinter den eigenen Erwartungen zurück. Als Anlaufpunkt für die Teilnehmer*Innen diente die braune Szenekneipe „Titanic“, die auch einen Teil des Equipments zur Verfügung stellte.
In blinden Aktionismus verfiel während und nach dem ersten Rassist*Innen-Auflauf in Neumünster Michael Pagel. Während der Kundgebung stürmte er mit einer Eisenstange bewaffnet aus seiner Wohnung und griff zwei Pressevertreter*Innen an. Derart beflügelt rief er kurz darauf die Initiative „Schleswig-Holstein wehrt sich“ ins Leben. Nach massiven Anfeindungen aus der Neonaziszene, vor allem durch Sebastian Struve und Malte Magnussen, zog sich Pagel schnell wieder aus der Gruppe zurück und überließ Enrico Pridöhl und Patrick Schallat (Pinneberg) das Ruder. Die riefen für den 09.01. zu einer Demonstration in Boostedt auf. Pridöhls Faible für gescheiterte Demonstrationen ist hinlänglich bekannt , Patrick Schallat nutzte die Kleinstkundgebung um ganze elf Kamerad*Innen mit Ausführungen zu seiner kruden Weltsicht zu langweilen . Auch Pagel hielt sich am 09.01. zwar in Boostedt auf, nahm aber nicht an der Demonstration teil. Mittlerweile scheint er neben Pridöhl auch wieder der für Initiative Verantwortliche zu sein, allerdings ohne weitere öffentliche Auftritte zu planen.

Die inhaltliche Positionierung der Neumünsteraner Naziclique beschränkt sich auf die agressive Verbreitung „asylkritischer“ Beiträge und das Dreschen stumpfer Naziparolen. Vor allem Letzteres und die klare Zuordnung der Protagonisten ins Neonazimilieu dürfte bislang dafür gesorgt haben, dass der Anschluss an ein nach außen moderateres Spektrum á la PEGIDA oder AfD bislang nicht gelang.
Auch wenn offizielle Parteiorgane bislang nicht öffentlich zu den Kundgebungen aufgerufen haben, ist die Nähe zur NPD, sowohl inhaltlich als auch personell, offensichtlich. Die „Distanzierungen“ der NPD folgen viel mehr dem strategischen Kalkül, mit einer scheinbaren überparteilichen Gruppierung, mehr Rassist*Innen zu mobilisieren, was offenbar den Geschmack der Szene trifft. Sowohl unter den Teilnehmer*Innen als auch im Kreis der Organisatoren finden sich etliche Gesichter, die nicht in der NPD organisiert sind. Genauso vertreten sind allerdings Mitglieder der NPD. Von Anfang an beteiligt an der Organisation war der Neumünsteraner Ratsherr Mark Proch. Dass mit Wulff und Richter zwei prominente Kader als Redner auftraten, dürfte ebenfalls dem Einfluss der Partei geschuldet sein. Spätestens auf der zweiten Kundgebung tummelten sich auch etliche Neonazis aus dem Umfeld der NPD wie Jens Lütke oder Marc-Richard Tenten um nur zwei Beispiele zu nennen. Dass vor allem die Gruppierung „Neumünster wehrt sich“ ein längerfristiges Engagement plant, ist wahrscheinlich. Neben weiteren Kundgebungen,wurde die Gründung eines Vereins angekündigt.

Auch wenn sich in Schleswig-Holstein bislang keine Massenmobilisierung abzeichnet, ist doch eine Konsolidierung der rechten Szene zu beobachten. Der Hass, der Geflüchteten und ihren Unterstützer*Innen in den Kommentarspalten nicht nur rechter Medien entgegenschlägt, die anfängliche breite Hetze in Boostedt und nicht zuletzt mehrere Brandanschläge auf Geflüchtetenunterkünfte lassen kaum einen Zweifel, dass das rassistische Potential auch in Schleswig-Holstein besteht. Um den braunen Mob zu mobilisieren, fehlte es bislang an Organisation. Eine Aufgabe, an der die NPD in den vergangenen Jahren konsequent scheiterte. Die Reorganisation etablierter und vor allem gut vernetzter Kader auch abseits der NPD könnte diese Plattform bieten.

In den nächsten Tagen erscheint ergänzend ein Portrait einiger Protagonist*Innen von „Neumünster wehrt sich“. Besucht unseren Blog.

Mit allen Mitteln gegen Geflüchtete

In Schleswig-Holstein gehen die Umtriebe gegen Geflüchtete weiter. Rassist_innen verschiedener Spektren versuchen mit fast allen Mitteln gegen Geflüchtete zu hetzen oder diese direkt anzugreifen. Beispiele für Anschläge aus der letzten Zeit haben wir z.B. hier aufgelistet.

Hier ein Überblick über jüngste Vorgänge:

Am 24. Januar demonstrierten 150 Rassist_innen durch Bad Oldesloe. Als Anlaß wurden (mittlerweile als falsch bestätigte) Gerüchte über eine Gruppenvergewaltigung durch Geflüchtete an einem Mädchen in Berlin genommen.

Die rechte Verschwörungstheoretikerin Katharina Ehrenstein aus Lübeck schrieb einen Brief an die Zeitung “Tagesspiegel” in Berlin. Ehrenstein veröffentlicht regelmäßig auf dem antisemitischen und rassistischen Portal “Lübeck Kunterbunt” von Detlef Winter . Die Texte der sich selbst als “Religionssoziologin” bezeichnenden Ehrenstein strotzen vor blankem Hass auf alles, was nicht in ihr klerikal-faschistisches Weltbild passt. Der Rundumschlag richtet sich gegen Menschen, die nicht ihre Hautfarbe, sexuelle Orientierung oder ihr eingeschränktes Weltbild teilen .

Am 20. Januar tauchten an der Flüchtlingsunterkunft Bornkamp in Lübeck rassistisch motivierte Schmierereien auf .

Am 21. Januar veröffentlichte die Polizeidirektion Lübeck eine Pressemitteilung , nach der in Lensahn (Ostholstein) ein Mann einen Überfall und Misshandlungen durch Geflüchtete vorgetäuscht habe.

Am 27. Januar versucht die Polizei in Lübeck Gerüchte zu entschärfen , nachdenen Geflüchtete verschiedene sexuelle Übergriffe in Lübeck und Ostholstein begangen haben sollen. Zu diesen Vorfällen ist allerdings weder den Betreiber_innen der Unterkünfte noch der Polizei etwas bekannt. Vermutlich handelt es sich erneut um gezielt gestreute Gerüchte von Rassist_innen.

Am 28. Januar läd die Polizei in Kiel zu einer Pressekonferenz , nachdem sie medial unter Druck geraten war, da sie angeblich Geflüchteten Straffreiheit gewähren würde. Das es lediglich um ca. 20 Anzeigen wegen sowieso kaum verfolgten Bagatelldelikten ging und diese angeblichen Vergehen nicht vertuscht, sondern den Beschuldigten Transitgeflüchteten lediglich die Weiterreise ermöglicht wurde, spielt in der aktuellen rassistischen Stimmung kaum noch eine Rolle.

Am heutigen 30. Januar möchte der Bad Schwartauer Christian Zimmermann als Anmelder einer rassistischen Demonstration durch Gadebusch (Mecklenburg-Vorpommern) demonstrieren .

Bei einem in Schleswig-Holstein wohnhaften Beamten der Hamburger Polizei wurde bei einer Hausdurchsuchung im November ein Waffenarsenal und Nazi-Devotionalien beschlagnahmt . Der Beamte versah weiterhin seinen Dienst und die Polizei hielt die Vorgänge geheim. Erst als Medien von der Sache Wind bekamen, wurde der Beamte versetzt. Was der Beamte mit den Waffen wollte, ist bisher unklar. Fakt ist, dass es sich nicht um Sportwaffen handelte, sondern u.a. um eine Pumpgun, eine Maschinenpistole und ein Scharfschützengewehr. Waffen die für Schiesssport ungeeignet sind, aber zum gezielten Töten von Menschen in aller Welt eingesetzt werden.

Brandanschlag in Brunsbüttel

Laut Pressemitteilung der Polizei in Itzehoe, wurde am Samstag Abend Feuer im Eingangsbereich einer Wohnung gelegt. In der Wohnung sollen laut Polizei aus Syrien stammende Menschen wohnen. Genaue Hintergründe sind bisher unklar. Im Laufe des Samstags fanden rechte Kundgebungen in Neumünster und Itzehoe statt. Nicht ausgeschlossen, dass Neonazis der Hetze auf der Straße gleich Taten folgen lassen wollten.

Die Bewohner_innen des betroffenen Hauses blieben glücklicherweise unverletzt.

Neonazis in Boostedt

Am vergangenen Samstag, 9. Januar, moblisierte erneut Enrico Pridöhl aus Neukirchen zu einer Demo der Facebook-Gruppierung “Schleswig-Holstein wehrt sich” nach Boostedt (Bericht ). Ebenfalls an der Organisation beteiligt waren auch Patrick Schallat aus Pinneberg und vor Ort Sven S. aus Neumünster (Artikel ). Insgesamt zu zwölft liefen die Rassist*innen durch das Dorf und wurden dabei durch die Polizei von den zahlenmäßig überlegenen antifaschistischen Gegendemonstrant*innen abgeschirmt. Dennoch wurde durch Blockaden der Veranstaltung frühzeitig ein Ende gesetzt. Die Ereignisse in Boostedt reihen sich in die fortlaufenden rassistischen Mobilisierungsversuche in Schleswig-Holstein. Bereits zum zweiten Mal ruft das Bündnis “Neumünster wehrt sich” am kommenden Samstag, 16. Januar, zur Verbreitung rechter Hetze nach Neumünster auf. Dazu gibt es eine antifaschistische Gegenmobiliserung (Aufruf ).

Dies und das im Dezember


“Words of Anger” auf der Bühne in Greven 2006

Wieder ist ein Jahr fast um. Das Jahr war geprägt durch steigende Zahlen von Geflüchteten aus weltweiten Krisenherden und einer offensiven rassistischen Mobilmachung dagegen. Auch wenn in Schleswig-Holstein bisher große Aufmärsche ausblieben, deuten erste Mobilisierungen in Neumünster und Boostedt und eine Reihe rechter Anschläge (z. B. 1 , 2 , 3 , 4 ) daraufhin, dass auf antifaschistisch Engagierte auch im neuen Jahr viel Arbeit warten wird.

Wir wünschen allen Leser_innen einen guten Rutsch in das neue Jahr und würden uns freuen, wenn ihr auch im neuen Jahr unserem Blog treu bleibt.

Hier noch zusammengefasst einige aktuelle Vorgänge rund um rechte Umtriebe in Schleswig-Holstein:

Antifaschist_innen veröffentlichten auf Indymedia zwei Texte (klick 1 , klick 2 ) über die neonazistische Szene rund um den NPD-Ratsherrn von Neumünster, Mark Michael Proch. Lesenswert!

Die Neonazis Tim Jessen, Dominic Rösch und Simon Haltenhof besuchten (wieder einmal) einen Aufmarsch von “MVGIDA” in Boizenburg, dazu veröffentlichte die Antifa Herzogtum Lauenburg einen Artikel .

Die Initiative NSU Watch veröffentlichte eine lesenswerte Recherche zu einem Konzert rechter Bands im Greven (Münsterland) 2006 und dessen Hintergründe im NSU-Umfeld. An dem Konzert nahm mit “Words of Anger” auch eine Band aus Schleswig-Holstein teil. Wir berichteten schon mehrfach (1 , 2 , 3 ) über die Band und auch das spezielle Konzert. Wir empfehlen als Ergänzung die Lektüre des NSU-Watch-Artikels.

Der Heikendorfer Neonazi Klaus-Dieter Flick , inzwischen weltweit bekannt aufgrund seiner Sammlung von Kriegswaffen und nazistischen Devotionalien, hatte bei seinen Umtrieben offenbar tatkräftige Unterstützung aus Reihen der Bundeswehr und wickelte Geschäfte über Millionen mit dem Landkreis Plön ab. Damit dürfte klarer werden, warum die Behörden trotz Kenntnis nicht einschritten. Gänzlich widerlegt ist inzwischen die von Lokalpolitiker_innen vertretene These, Flick sei ein einsamer “Sonderling”, der nicht ernst genommen worden wäre. Als ein solcher hätte er wohl kaum seine einflussreichen Netzwerke aufbauen können. Lest die Hintergründe , aufgedeckt vom NDR.

Der fortschreitende Rechtsdrall der AfD bringt inzwischen seine Konsequenzen mit sich. Zunehmend bekommt die Partei ähnliche Probleme wie die NPD Räume für ihre Hetzveranstaltungen zu bekommen. Regionale Beispiele kommen jüngst aus Pinneberg und Kiel .

Neues aus Neumünster

Am 14.11. wurde in Neumünster eine rassistische Demonstration “gegen Asylbetrug, Masseneinschleusung und Islamisierung unserer Gesellschaft” erfolgreich blockiert (Bericht ). Anscheinend wurde (wenn auch erfolglos) versucht, an die Erfolge von PEGIDA, AfD und co. anzuknüpfen. Die Demo wurde von einem Kreis um Enrico Pridöhl organisiert, zu dem auch die Facebook-Gruppe “Neumünster wehrt sich” gehört. Diese wird unter anderem von Manfred Riemke, Manuel Fiebinger und Hauke Haak administriert (Recherche-Überblick ).

Der Neonazi Peter Borchart hat von der Arbeitsagentur Neumünster ein Jobangebot als Wachmann in einer Unterkunft für geflüchtete Menschen erhalten (Artikel , Artikel , Artikel ). Der äußerst gewaltbereite Borchert war zentraler Akteur der “AG Kiel” und ist mehrfach vorbestraft ua. wegen Waffenbesitzes und einem Tötungsdelikt (Hintergründe zu Borchert )
Auch in anderen Unterkünften für geflüchtete Menschen wurde Menschen mit rechtem Gedankengut als Wachmänner beschäftigt, so in Heidenau (Artikel , Artikel ) und in Frechen in NRW (Berichten ).

NPD-Kundgebungen in Bad Bramstedt und Boostedt

Am vergangenen Samstag, 31.10.2015 hielten Neonazis aus dem Umfeld des NPD Kreisverbandes Segeberg-Neumünster aufeinander folgende Kundgebungen zum Thema “Asylflut stoppen” ab. Die Teilnehmerzahl schrumpfte laut Berichten von 6 Neonazis in Bad Bramstedt auf 5 in Boostedt. Beide Veranstaltungen wurden trotz ihres kurzfristigen Bekanntwerdens von deutlichem Gegenprotest begleitet.

Brandanschläge in Schwarzenbek und Nazi-Aufmarsch in Ratzeburg


Das Vereinsheim in Schwarzenbek im September

Vor kurzem ist ein Facebook-Eintrag aufgetaucht mit dem Titel “Ratzeburg duldet keine Islamisierung”. Darin wird zu einer Demonstration gegen “Wirtschaftsflüchtlinge” und “Invasionsflut” am Sonntag, den 1. November, aufgerufen. Unter den Teilnehmenden befinden sich bekannte Neonazis und Rassist_Innen (Bericht der AHL ).
Ratzeburg war schon in der Vergangenheit immer wieder wegen rassistischen und neonazistischen Vorkommnissen in den Nachrichten. So wurden 2012 Morddrohungen gegen den Bürgermeister auf mehrere Gebäude gesprüht. Hier wurden die Täter_Innen im rechten Lager vermutet, da sich der Bürgermeister in einem Bündnis gegen Rechts engagiert hatte (Link , Link ). Weiter sitzt seit 2013 mit Kay Oelke ein Neonazi im Kreistag in Ratzeburg. Kay Oelke war vormals in der Schill-Partei und in der NPD organisiert und hat nun das Mandat für die “Rechtsstaatliche Liga” erhalten (wir berichteten ). Bekannte Neonazis aus Ratzeburg und Umgebung sind u.a. Norman Krüger und Nicole Borawski (Link ) sowie Robert Völker (wir berichteten , Link ).

In Schwarzenbek ist in der Nacht vom 27. zum 28. Oktober das Sportler_Innenheim ausgebrannt. Etwa einen Monat zuvor wurde es mit rassistischen Parolen und rechtsradikalen Symbolen beschmiert. Weiterhin wurde ein Brandschlag auf eine Turnhalle verübt. Diesem ging voraus, dass auf einer Einwohner_Innenversammlung bekannt wurde, dass eine (andere) Turnhalle zur Aufnahme von geflüchteten Menschen hergerichtet werden soll. Die Täter_Innen schienen jedoch Schwierigkeiten zu haben, die richtige Turnhalle zu identifizieren (Bericht der Anarchisten*Innen aus Schwarzenbek & Umland ).
Für den 12. Dezember wird zu einer Demonstration mit dem Titel “Nazis aus der Stadt jagen! Freiräume erkämpfen!” in Schwarzenbek aufgerufen .

Brandanschlag in Flensburg

Laut einer Pressemitteilung der Flensburger Polizei wurde letzte Nacht gegen 01.00 Uhr ein Brandanschlag auf ein Gebäude verübt, das zukünftig als Unterkunft für Geflüchtete genutzt werden soll. Das Feuer in der Travestraße erlosch von selbst.

Rechte Tagung in Kiel


Frank Schepke

Am vergangenen Samstag, den 10.10.2015, haben Anhänger des Finanztheoretikers Silvio Gesell in Kiel eine rechte Tagung ausgerichtet. Veranstalter war der Verein „Regionalgeld“ unter der Führung des ehemaligen NPD-Kaders Frank Schepke, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, ein „Regionalgeld“ als alternative Währung in Schleswig-Holstein zu etablieren. Brisant an dieser Veranstaltung ist, dass auch der Gebietsrevisionist Walter T. Rix als Referent anwesend war.


Frank Schepke

Bereits vor zwei Jahren berichteten wir über Frank Schepke . Anlass war damals seine Kanditatur zur Bundestagswahl 2013. Schepke gehörte in den 60er Jahren zu den Führungskadern der niedersächsischen NPD. Seine Parteikarriere beendete Schepke nach eigener Aussage, als er merkte, dass die grasierende Inkompetenz der Kameraden die Umsetzung der „anfänglich […] idealistischen Zielsetzungen“ der Partei verhinderten.
Er wandte sich den Lehren Silvio Gesells zu, der als Erfinder der Freiwirtschaftslehre gilt. Vielfach wird den Theorien Gesells, die vor allem das Zinssystem als Übel ausmachen, ein struktureller Antisemitismus attestiert. Da überrascht es nicht, dass Schepke nicht der erste (Neo-)Nazi ist, der Gefallen an den Ideen Gesells findet. Schon in den 30er und 40er Jahren paktierten viele Anhänger des 1930 gestorbenen Gesells mit den Nationalsozialisten. Seit Anfang der 2000er propagiert Schepke mit mässigem Erfolg die Einführung eines Regionalgelds in Schleswig-Holstein. Zwar wird die alternative Währung mittlerweile landesweit in einigen Geschäften akzeptiert, die erhofften Folgen, die von Vollbeschäftigung bis hin zum „Frieden unter den Völkern“ reichen sollen, lassen dennoch auf sich warten.
Schepke ist Mitglied des Landesvorstands der Kleinstpartei „Humanwirtschaft“, die eine Einführung einer „Freiwirtschaft“ nach Gesell zum Ziel hat. 2010 wurde der Partei der Parteienstatus aberkannt. Seitdem trägt sie den Zusatz „e.V.“ im Namen. Auch in Schleswig-Holstein ist der Landesverband weitgehend inaktiv.
Schepke ist in den letzten Jahren nicht durch Kontakte ins rechte Milieu aufgefallen. Offenbar waren aber weniger inhaltliche Differenzen, sondern vielmehr taktische Erwägungen der Grund. Mit Walter T. Rix zählt nun ein prominenter neurechter Publizist zu den Rednern seiner Tagung und zeigt, wessen Geistes Kind Frank Schepke noch immer ist.


Walter T. Rix


Walter T. Rix

Auch über Walter T. Rix haben wir schon mehrfach berichtet. Rix ist ehemaliger Dozent der Literaturwissenschaften und Geschichte an der Universität Kiel und nimmt eine Schlüsselposition zwischen dem rechtskonservativen und einem offen neonazistischen Spektrum ein. Rix ist in verschiedenen Vertriebenenverbänden aktiv. Insbesondere im Umfeld der „Landsmannschaft Ostpreußen“ hat er sich engagiert. 2009 bekam er von dieser für seine „Verdienste“ für Ostpreußen das „Goldene Ehrenzeichen“ verliehen. Als Autor veröffentlichte er in verschiedenen rechten Publikationen, wie der „Nation & Europa“ (Vorläufer der „Zuerst“) oder dem rechtskonservativen Magazin „Criticón“. Rege Kontakte pflegt Rix aber auch zu einflussreichen Neonazis, wie beispielsweise dem Verleger Dietmar Munier, Inhaber des rechten Verlagshaus „Lesen & Schenken“ in Martensrade, der sich auch für die „deutsche Wiederbesiedlung“ ehemaliger deutscher Ostgebiete einsetzt. Rix wird vielfach als Referent geladen. Der rechte Think-Tank „Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft“ (SWG) aus Hamburg und der „Bund Junges Ostpreußen“ sind nur zwei Beispiele. Am Samstag hat Rix zum Thema „Silvio Gesell und die Räteregierung 1919 in München“ referiert.


Weitere Referent*Innen

Drei weitere Gäste waren angekündigt. Rainer Horn, Professor für Bodenkunde an der Kieler Universität hat über weltweite Bodenzerstörung referiert. Renate Hartwig aus Narsingen wurde durch ihr Engagement gegen die Sekte Scientology bekannt und hat sich mitterweile dem Kampf gegen ein vermeintlich ungerechtes Gesundheitssystem verschrieben, was auch ihr Thema auf Schepkes Veranstaltung war. Hilmar Juckel aus Hochheim hat unlängst ein Buch veröffentlicht, dass über die „Abzocke“ der Sparkasse aufklären soll. Als einziger der drei letzteren Referent*Innen wieß sein Vortrag mit dem Titel „Sparkassen, Mythen und Silvio Gesell“ einen direkten Bezug zu Gesell auf.
Auch wenn diese Referente*Innen bislang keine Verbindungen in ein rechtskonservatives oder neonazistisches Milieu aufweisen, müssen sie sich doch die Frage gefallen lassen, warum sie sich mit Frank Schepke und Walter T. Rix einlassen.

Als Veranstaltungsort diente das „Haus des Sports“ im Winterbeker Weg in Kiel. Bereits mehrfach fanden in dessen Räumlichkeiten rechte Veranstaltung statt . Auch der Verein „Regionalgeld“ um Frank Schepke nutzt das Lokal regelmäßig. Neben der Veranstaltung am vergangenen Samstag ist hier übrigens auch ein „Teilnehmertreffen“ des Vereins am 02.11.2015 geplant.