Neonazi Kandidiert als Bürgermeister in Uetersen


NPD-Kundgebung in Boostedt bei Neumünster, v.l. Michael Denz, Daniel Nordhorn, Steffen Peter, Rudolf Rosenthal und Alexander Meeder

In Uetersen, dem Wohnort des NPD-Landesvorsitzenden von Schleswig-Holstein, Ingo Stawitz, tritt aktuell bei der Bürgermeisterwahl mit Steffen Peter der ehemalige stellvertretende NPD-Kreisvorsitzende zur Bürgermeisterwahl an. Peter schied aufgrund von Differenzen aus der NPD aus. Seiner Gesinnung blieb er aber treu, als Beruf versuchte er „Oberreichsanwalt“ in die Kandidatenliste eintragen zu lassen, scheiterte allerdings damit.

Über die Vorgänge berichten die Antifaschistische Initiative Kreis Pinneberg und, neben diversen anderen Medien, der Zeit Störungsmelder .

Drei rechte Rocker vor Gericht

Vor dem Kieler Landgericht läuft aktuell ein Verfahren gegen die drei Neonazis Peter Borchert (Kameradschaftsaktivist und ehemaliger NPD-Landesvorsitzender), Alexander Hardt (Kameradschaftsaktivist aus dem Umfeld von „Combat 18“ und „Blood and Honour“) und Nils Hollm (ehemaliges Mitglied der „AG Kiel“ und früherer NPD-Kandidat). Die drei „Bandidos“ sollen im Jahr 2009 einen vermeintlichen Rivalen von den verfeindeten „Hells Angels“ in der Neumünsteraner Neonazi-Kneipe „Titanic“ verletzt haben.
Hintergründe zum aktuell inhaftierten Alexander Hardt und seinem Geschäft für Einbruchswerkzeug gibt es u.a. hier , sein Umfeld um „Blood and Honour“ und „Combat 18“ bis hin zum „NSU“ haben wir hier und hier beleuchtet. Der ebenfalls inhaftierte Peter Borchert erlangte vor allem als notorischer Gewalttäter, Waffenhändler und Führungsfigur der militanten rechten Szene in Schleswig-Holstein Bekanntheit. Nils Hollm war Mitglied einer Neonazi-Wohngemeinschaft in Kiel, die im Jahr 2008 mit zahlreichen Übergriffen auf sich aufmerksam machte .

Über den aktuellen Prozess berichteten der SHZ und die Autonome Antifa Koordination Kiel . Einen Tag später berichtete der SHZ über formale Probleme im Verfahren, weshalb die Fortsetzung des Prozesses sich verzögert.

Rechtes Konzert in der „Titanic“

In der Gaststätte „Titanic“ um die Betreiber Horst und Pascal Micheel, Frank Rühmann und weitere Neumünsteraner Neonazis fand am 12. Juli ein rechtes Musikevent statt. Angereist waren ca. 100 Gäste aus Norddeutschland. Der Liedermacherabend fand in Solidarität für den geschlossenen „Club88“ in Neumünster um Betreiberin Christiane Dolscheid statt. Blick nach Rechts und SHZ berichteten.

Damit scheint Horst Micheel seine Kneipe in die Fußstapfen des geschlossenen „Club88“ als Austragungsort für rechte Veranstaltungen, mit Strahlkraft weit über Neumünster hinaus, treten lassen zu wollen.

Vor kurzem berichtete auch die taz über das Umfeld der „Titanic“, aus dem mutmaßlich eine ganze Serie von Anschlägen auf ein benachbartes Parteibüro der Linkspartei begangen wurde.

Hildebrandt und Gronemann unter Druck, Krakow auf Reisen

Wie das Dokumentationsarchiv berichtet , gab es jüngst eine erneute Hausdurchsuchung der Polizei bei dem Itzehoer Neonazi Lars Hildebrandt. Der neonazistische Liedermacher und Kameradschaftsaktivist orientiert sich zuletzt verstärkt in Richtung Nordfriesischer Neonaziszene, nachdem die rechten Strukturen in Lübeck und Stormarn nach Rückschlägen aktuell weitgehend handlungsunfähig sind.

Auch mit staatlichem Druck kämpft abermals der ehemalige Lübecker Neonazi Jörn Gronemann alias „Maulwurfen“, der nach persönlichen Schwierigkeiten und Zweckentfremdung von gesammelten Solidaritätsgeldern die Hansestadt verlassen hat. „Ex K3 Berlin“, ein vom ihm und anderen Neonazis betriebenes Portal, wurde nach Hausdurchsuchungen und Anzeigen eingestellt, Endstation Rechts veröffentlichte zu dem Geschehen einen Artikel .

Derweil sorgt der ehemalige Aktivist der „Freiheit“ und von „PI-News“ und Burschenschaftler der „Germania“ in Kiel, Lennart Krakow, als Sprecher des „Allgemeinen Pennälerrings“ für Aufsehen. Der rechte Dachverband veranstaltet in Berlin eine Zusammenkunft, inklusive Fechten mit Säbeln. Publikative klärt über die Hintergründe auf.

Rechtspop in SH -Akademische Rechte und Rechte Publizistik-


Manuel Ochsenreiter posiert mit syrischen Soldaten

In diesem dritten Artikel unserer Artikelreihe möchten wir rechte Publizisten und Verlagshäuser aus Schleswig-Holstein thematisieren, sowie auf ihre Anschlusspunkte zum konservativen Spektrum hinweisen. Da hier studentische Verbindungen eine wesentliche Rolle spielen und sich auch die Akteure der rechten Publizistik häufig aus dem Verbindungswesen rekrutieren, soll zunächst ein knapper Überblick über Burschenschaften und Verbindungen in Schleswig-Holstein gegeben werden. Näher eingehen werden wir auf diejenigen, die aus einer antifaschistischen Perspektive interessant sind. Das soll keinesfalls heißen, dass Verbindungen, die hier nicht explizit erwähnt werden, eine weiße Weste hätten. Die elitären Männerbünde eint ein sexistisches und chauvinistisches Weltbild, voller Nationalismus und Deutschtümelei. Entsprechend niedrig ist die Hemmschwelle bei vielen Mitgliedern auch mit offen auftretenden Neonazis zu kooperieren, beziehungsweise diese zu tolerieren.
Studentische Verbindungen sind in Schleswig-Holstein ausschließlich in den Universitätsstädten Lübeck und Kiel zu finden. Daneben existieren in Kiel und auch in Kaltenkirchen gymnasiale Verbindungen, die vor allem als Nachwuchspool dienen sollen.
In Lübeck sind von den vier Burschenschaften nur zwei aktiv. Die „Berolina Mittweida zu Lübeck“ und die „Obotritia zu Lübeck“. In Kiel dagegen gibt es gleich sieben aktive Verbindungen von denen, bis auf eine, alle reine Männerbünde sind.
Mit Verbindungen in die rechtsradikale Szene sind vor allem drei Kieler Burschenschaften aufgefallen. Diese sollen hier näher behandelt werden.
Klassisch nationalistisch gibt sich die „Teutonia“ in Kiel. Mit Stolz wurde bis vor kurzem noch auf Erich Töpp verwiesen, der in rechten Kreisen gerne als erfolgreicher U-Boot Kommandant der Wehrmacht gefeiert wurde und bis zu seinem Ableben 2005 Mitglied der „Teutonia“ war. Da Töpp das 194-jährige Bestehen seiner Burschenschaft 2011 nicht mehr erleben konnte, ein wenig Geschichtsrevisionismus zu einem solchen Event aber nicht fehlen durfte, griff man auf den Wehrmachtsveteran Klaus Petersen zurück, der ebenfalls als U-Boot Kommandant am deutschen Vernichtungskrieg beteiligt war. Zwar wurde diese Veranstaltung nach antifaschistischem Protest abgesagt, distanziert haben sich die Burschen jedoch nie . Im Gegenteil wurde im Juni 2012 der rechte Esoteriker Rainer Langhans eingeladen. Seit dem ist es ruhiger geworden um die „Teuten“, die sich wesentlich zurückhaltender geben. Verweise auf Erich Töpp sind von der Internetseite verschwunden und sogar ein Schild „Kein Ort für Neonazis“ ziert neuerdings die Fassade. Dass es sich hierbei um mehr als Lippenbekenntnisse handelt um das lädierte Image nicht noch weiter zu belasten, ist nicht anzunehmen.
Grund für diesen Strategiewechsel dürfte ein interner Konflikt gewesen sein. Die Burschenschaft diente eine Zeit lang auch als Rekrutierungspool für die rechtspopulistische Partei „Die Freiheit“. Führungskräfte der Jugendorganisation „Generation Zukunft“ in Schleswig-Holstein, wie Kristof Heitmann, Teja Teufel, Lennart Krakow und dessen Bruder Thore Ragnar, waren alle Mitglieder der „Teutonia“. Nach internen Konflikten wechselten sie bis auf Heitmann zur „Gymnasialen Burschenschaft Germania zu Kiel“ und wurden mit einem Hausverbot für das Verbindungshaus der „Teuten“ belegt. Die Schülerburschenschaft „Germania“ stand im vergangenen Jahr in der Kritik, da sie der Einladung zur „Hatz“ der neofaschistischen „Pennalen Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg“ gefolgt war. Dabei beweisen sich die Mitglieder der Burschenschaften gegenseitig ihre Männlichkeit, indem sie mit stumpfen Säbeln aufeinander einschlagen. Auch ein NPD-Kader soll anwesend gewesen sein .
Die einzige noch im Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) verbleibende Kieler Verbindung ist die „Alte Königsberger Burschenschaft Alemannia“. Aufmerksamkeit zog die „Alemannia“ im Mai 2002 auf sich, als sie einen Zeitzeugenvortrag mit einem Veteranen der Legion Condor organisierte. Diese Eliteeinheit der Luftwaffe des nationalsozialistischen Deutschlands unterstützte den Faschisten Franco während des spanischen Bürgerkriegs. Auch Veranstaltungen im Geiste des, schon im Namen der Burschenschaft offenbar werdenden, Gebietsrevisionismus stehen immer wieder auf dem Programm. So referierte der „Alte Herr“ Volker Matthée zusammen mit weiteren „Zeitzeugen“ unlängst über seine Erinnerungen an Ostpreußen. Beste Verbindungen bestehen auch zur Burschenschaft „Redaria-Allemania Rostock“, die sich noch weniger Mühe gibt, ihren völkischen Rassismus zu verbergen .
Eine bis 2012 in der DB organisierte Burschenschaft und im Richtungsstreit, der sich über den „Ariernachweis“ entzündete, ausgetreten ist, ist die Verbindung der „Krusenrotter“. Zwar geben sich die „Krusenrotter“ im Alltag bemüht unpolitisch, eine klare Distanzierung vom völkischen Gedankengut findet sich allerdings nirgendwo. Im Gegenteil werden Kontakte zu eindeutig rechts stehenden Burschenschaften unterhalten.

Rechte Publizistik

In Schleswig-Holstein tummeln sich verschiedenste Vertreter der rechten Publizistik. Darunter sind neben einzelnen Autoren auch ganze Verlagshäuser vertreten. Ihre Bedeutung variiert dabei abhängig von ihrer Ausrichtung und überregionaler Wahrnehmung mitunter stark. Wir möchten hier einen Überblick über Teile der rechten Verlagslandschaft, sowie ihre Publikationen und deren Autor_innen geben.

Lesen & Schenken
Als wichtigster Akteur auf dem Markt für rechte und neonazistische Publizistik ist das Verlagshaus „Lesen & Schenken“ von Dietmar Munier und Gerlind Mörig aus Martensrade zu nennen. Bereits mehrfach wurde in den letzten Jahren von antifaschistischen Initiativen auf das Unternehmen aufmerksam gemacht .


Dietmar Munier

Der Verlag gibt verschiedene Zeitschriften heraus, deren Themensetzungen sich großteilig überschneiden. Die auflagenstärkste Publikation ist die Zeitschrift „Zuerst!“. Im Jahr 2009 übernahm das Verlagshaus das Format „Nation & Europa“ in dem Bestreben, es in ein monatlich erscheinendes Hochglanzmagazin zu überführen. Nach eigener Aussage sollte damit Zeitschriften wie dem Spiegel Konkurrenz gemacht werden. Ob „Zuerst!“ diesen Anspruch erfüllt, ist zwar mehr als fraglich, tatsächlich handelt es sich aber um die am aufwändigsten produzierte Zeitung des Verlags mit überregionaler Verbreitung. Inhaltlich werden mit „Zuerst!“ zwei Ziele verfolgt. Zum einen werden aktuelle rechtspopulistische Themen angesprochen, die sich auch eignen, um in einem bürgerlich-konservativen Milieu Anklang zu finden. So werden zurzeit die Konflikte in Syrien und der Ukraine ausführlich thematisiert. Andererseits wird versucht, die Zeitschrift möglichst spektrenübergreifend zu gestalten und so für verschiedene rechte Strömungen lesbar zu machen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das propagierte völkisch-nationalistische Geschichtsbild, das durchaus als Minimalkonsens der rechten Szenen gelten kann (Der Rechte Rand 140). Fokussiert wird dabei sehr stark die Zeit des Nationalsozialmus in Deutschland. Diese Epoche wird durchweg positiv bewertet, was zwangsläufig mit einer Verklärung des NS-Regimes und seiner Verbrechen, sowie einer Leugnung der Kriegsschuld Deutschlands einhergeht. In revanchistischer Manier finden sich hier auch immer wieder aktuelle Bezüge, in denen beispielsweise die Deutschen Grenzen in Frage gestellt werden.
Chefredakteur der „Zuerst!“ ist Manuel Ochsenreiter, der vor seiner Tätigkeit in Martensrade bereits für die „Junge Freiheit“ tätig war. Neben seiner leitenden Position versucht sich Ochsenreiter in letzter Zeit insbesondere als Auslandskorrespondent in der Ukraine und als Nahost-Experte. Dabei sucht er immer wieder den Kontakt zu Gruppen, die sein antisemitisches Weltbild teilen. So ließ er sich beispielsweise auf einem zerstörten israelischen Panzer ablichten und betreibt offene Sympathiewerbung für die Hisbollah-Miliz. Auch einer Zusammenarbeit mit dem islamischen Internetportal „Muslim-Markt“ steht unter dem einenden Moment des Antizionismus nichts im Wege. Ochsenreiter, selbst Mitglied der „Berliner Burschenschaft der Märker“, pflegt gute Kontakte in die burschenschaftliche Szene und tritt immer wieder auch als Referent bei entsprechenden Veranstaltungen auf.
Zwei weitere relativ aufwendig gestaltete Zeitschriften sind die „Deutsche Militär Zeitschrift“ (DMZ) und die „DMZ Zeitgeschichte“. Erstere widmet sich vor allem aktuellen militärischen und militärpolitischen Themen. Darin finden sich auch Interviewpartner, die nicht dem radikal-rechten Spektrum zuzuordnen sind. Der stramm rechte Hintergrund beider Magazine offenbart sich vor allem in der Behandlung des zweiten Weltkriegs, worauf auch der Schwerpunkt der „DMZ Zeitgeschichte“ liegt. Analog zum Geschichtsbild, das auch in der „Zuerst!“ propagiert wird, findet hier eine Verharmlosung des NS-Regimes und insbesondere seiner Streitkräfte statt. Sowohl Wehrmacht, als auch die SS werden in einem entpolitisierten Kontext und als völlig „normale“ Armeen dargestellt. Dass es sich vor allem an der Ostfront um einen rassistisch motivierten Vernichtungsfeldzug handelte, bleibt außen vor. Kriegsverbrechen werden höchstens auf Seiten der Alliierten erwähnt. Beliebtes Mittel ist dabei eine äußerst subjektive Herangehensweise. So werden Zeitzeugen interviewt oder einzelne Persönlichkeiten und militärische Ereignisse behandelt, ohne diese in einen historischen und politischen Kontext einzuordnen. Das ehemalige Mitteilungsblatt der Ehemaligenverbände der Waffen-SS „Der Freiwillige“ ist in diesem Jahr in der erst 2012 übernommenen „DMZ Zeitgeschichte“ aufgegangen, was einen erweiterten Kundenstamm zur Folge hat.


Manuel Ochsenreiter

Nicht ganz unbeteiligt ist „Lesen & Schenken“ auch an der Parteizeitschrift des Landesverbandes der NPD in Schleswig-Holstein, die „Schleswig-Holstein Stimme“. Vermutlich wird die Zeitschrift in Martensrade verlegt und gedruckt. Die Autorenschaft beschränkt sich auf Parteifunktionäre und Kreisverbände. Auf entsprechend niedrigem Niveau dient die Zeitschrift ausschließlich als Propagandaorgan der Partei.
Seit 2010 gibt der Verlagskomplex auch die Zeitschrift des „Zentralrats der Vertriebenen e.V.“ mit dem Titel „Der Schlesier“ heraus, der vor allem die klassischen rechten Themen Gebiets- und Geschichtsrevisionismus bedient.
Neben diesen Zeitschriften gehören zum „Lesen&Schenken“-Komplex verschiedene Verlage. Einer von ihnen ist bereits seit 1983 der „Arndt Verlag“. In erster Linie werden hier geschichts- und gebietsrevisionistische, sowie den Nationalsozialismus verherrlichende Publikationen vertrieben, die den Holocaust in Frage stellen oder die Kriegsschuld Deutschlands am 2. Weltkrieg relativieren. Beispielhaft seien hier die Werke des Holocaust-Leugners David Irving angeführt. Neben Büchern werden auch allerlei Wehrmachts- und SS- Devotionalien vertrieben. Der „Arndt Verlag“ gilt als einer der größten rechten Verlage in Deutschland und prägt somit maßgeblich den rechtsradikalen Diskurs.
Inhaber Dietmar Munier ist schon seit den 70er Jahren fester Bestandteil der Neonazi-Szene in Schleswig-Holstein. Versuchte er sich zunächst noch als Aktivist für die JN und besonders den „Bund Heimattreuer Jugend“, verlegte er frühzeitig den Fokus auf seine publizistischen Tätigkeiten. Schon Anfang der 70er Jahre eröffnete er seinen ersten Buchhandel in Kiel, dessen Räumlichkeiten er sich zeitweise mit Thies Christophersen teilte, einem der bekanntesten deutschen Leugner des Holocausts und ehemaligen SS-Soldat in Auschwitz. Anfang der 90er gründete er das Verlagshaus „Lesen & Schenken“ in Martensrade, das seither stetig expandiert. Daneben versuchte Munier schon früh revanchistische Vereine in ehemals deutschen Gebieten zu etablieren. So gründete er den Verein „Aktion deutsches Königsberg“, aus dem später der „Schulverein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen e. V.“ hervorgegangen ist. Ziel des Vereins ist es, Deutsche in Ostpreußen anzusiedeln, um deutsche Gebietsansprüche geltend zu machen. Dieser Schulverein genießt eine beachtliche Unterstützung aus den Reihen der Vertriebenenverbände und eines seiner Hauptprojekte ist die Etablierung einer deutschen Schule, in der Kindern unter anderem nationalsozialistisches Gedankengut vermittelt werden soll. Vorsitzender des Schulvereins ist der Kieler Heilpraktiker Henning Pless . Die Bedeutung des Schulvereins liegt nicht zuletzt auch in seiner Funktion als Ideenschmiede und Vernetzungsorgan. Mittlerweile tritt dieser nämlich auch als Veranstalter des jährlich stattfindenden „Lesertreffens“ auf, das bis dahin von der „Zuerst!“ ausgerichtet wurde. Hier versammeln sich regelmäßig gruppenübergreifend, von Rechtspopulisten_innen bis zu militanten Neonazis, Vertreter_innen des rechten Rands. In erster Linie dürfte wohl, neben der Werbung um eine breitere Leserschaft, der Vernetzungsaspekt im Vordergrund stehen. Anzutreffen sind hier einflussreiche Akteure. So waren 2013 beispielsweise die „Junge Freiheit“, der „KOPP-Verlag“ oder das rechtstheoretische Magazin „Sezession“ zu Gast. Abseits von diesen eigens organisierten Treffen pflegen Munier und sein Umfeld eine rege Teilnahme an szeneweiten Veranstaltungen, wie u.a. der Besuch beim „Zwischentag“ der „Sezession“. Diese Periodika, oftmals als wichtigstes Publikationsorgan der Neuen Rechten bezeichnet, richtet sich insbesondere an Nachwuchsakademiker und Burschenschaftler und pflegt auch Verbindungen ins rechtspopulistische Spektrum mit entsprechender Anti-Islam Rhetorik. Nichtsdestotrotz konnte auf dem „Zwischentag“ 2013 auch eine Führungsfigur der faschistischen „Casapound“ Bewegung aus Italien begrüßt werden .
Auch die NPD-nahe „Gesellschaft für freie Publizistik“ (GfP) veranstaltet eigene Vernetzungstreffen. Die GfP ist die größte Kulturvereinigung im extrem rechten Spektrum Deutschlands. Ihre Jahrestagungen gelten als wichtiger Ort für Strategiediskussionen innerhalb der Rechten. Themenschwerpunkte der GfP sind revisionistische Themen, wie das Infragestellen der deutschen Kriegsschuld und des Holocausts. Natürlich darf auch hier ein Vertreter des Martensrader Verlagskomplex, in Person von Manuel Ochsenreiter, nicht fehlen.


Henning Pless

Die Bedeutung von „Lesen&Schenken“ für die Neonaziszene in Schleswig Holstein liegt insbesondere in der logistischen und (in)direkten finanziellen Unterstützung der NPD. So arbeitet der stellvertretende Landesvorsitzende Jens Lütke im Verlagshaus in Martensrade. Lütke ist, neben Jörn Lemke aus Lübeck, hauptverantwortlich für die oben genannte „Schleswig-Holstein Stimme“. Nicht nur wird das finanzielle Auskommen eines Führungskaders der NPD gesichert, offensichtlich bleibt Lütke auch genügend Raum für seine Parteiarbeit. Auch Fahrzeuge für militante Nazis und logistische Wahlkampfunterstützung werden gerne bereit gestellt.
Für die überregionale Szene ist insbesondere die auflagenstarke „Zuerst!“ von Bedeutung. Mit einer völkisch-nationalistischen und revisionistischen Ausrichtung, sowie aktuellen, rechtspopulistischen Themen ist sie anschlussfähig an die meisten rechten Strömungen bis hinein ins konservative Milieu. Nicht ganz so reibungslos scheint allenfalls der Kontakt zur Pro- und Anti-Islam Bewegung zu verlaufen, sobald diese sich proisraelisch positionieren.
Entsprechend verhält es sich mit der Ausrichtung des Vernetzungstreffens. Hier wollen Munier und Kameraden eine Plattform für Ideologie- und Strategiediskussion bieten und dabei Vertreter_innen von Rechtspopulismus über Burschenschaftler bis zu klassischen Neonazis versammeln.

“Regin-Verlag”
Ein weiterer Akteur der rechten Publizistik in Schleswig-Holstein ist der „Regin-Verlag“ aus Kiel. Sein Sortiment bedient dabei insbesondere rechte Esoterik bis offen faschistische Literatur. Aufmerksamkeit zog der Verlag jüngst auf sich, als er ankündigte, ein Buch des Autors Erik Fröhlich zu veröffentlichen . Fröhlich war als Führungskader der „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ aktiv, gemeinsam mit den Brüdern Eminger, von denen mittlerweile André Eminger als Unterstützer des NSU angeklagt ist. Auch soll er Kontakt zum NSU-Waffenlieferanten Ralf Wohlleben gehabt haben.
Hauptverantwortlich für den Verlag ist Dietmar Sokoll, ehemaliger Burschenschaftler der „Rhenania-Salingia zu Düsseldorf“. Sokoll pflegt Kontakte zur „Artgemeinschaft“, einer von Jürgen Rieger gegründeten, neuzeitlichen, völkischen Religionsschöpfung, deren erklärtes Ziel die „Arterhaltung“ ist und die voller biologistischem Rassismus steckt, der teilweise deckungsgleich zur NS-Ideologie ist. Auch Beate Zschäpe und die Brüder Eminger sollen übrigens Verbindung zur „Artgemeinschaft“ gehabt haben. Auch sonst gibt sich Sokoll anschlussfreudig, zumindest innerhalb der rechten Szene. So war er mit seinem Verlag beispielsweise ebenfalls auf dem oben schon genannten „Zwischentag“ des Magazins „Sezession“ vertreten .
Der „Regin-Verlag“ ist einer der größten Versandhandel für rechte Literatur in Norddeutschland, scheint aber wesentlich weniger breit aufgestellt zu sein als „Lesen und Schenken“. Er konzentriert sich vielmehr auf sein Kernpublikum und bietet den ideologischen Hintergrund zu neofaschistischen und neonazistischen Weltbildern. Durch den Vertrieb von Literatur aktiver Neonazis unterstützt er ohne Bedenken militante Neoazis bis ins Umfeld des NSU.

Uhlenhof
Im nördlichen Schleswig-Holstein hat der mittlerweile verstorbene Roland Bohlinger die „Freie Republik Uhlenhof“ gegründet. Diesen, in Reichsbürgermanier gegründeter Fantasiestaat, sah er als legitimen Nachfolger des Deutschen Reichs von 1871. Hier betrieb er auch ein Verlagshaus, woraus vor allem verschwörungstheoretische und antisemitische Schriften, sowie Bücher führender NS- und Rassentheoretiker in Umlauf gebracht wurden. Bohlinger war dem Umfeld der „Ludendorffer“ zuzuordnen, pflegte aber auch Kontakte zu organisierten Neonazis. Insbesondere Verbindungen zum Verein „Parzifal“ aus Nordrhein-Westfalen, der eine Art Vorfeldorganisation militanter Neonazis zu sein scheint, fallen immer wieder auf. Zwar wurden in den letzten Jahren großspurige Projekte vor allem im Bereich der „Bildungsarbeit“ angekündigt, umsetzen konnte Bohlinger zu Lebzeiten davon aber kaum etwas. Nicht zuletzt das Einschreiten der Behörden schien im Staate Uhlenhof zu vermehrten finanziellen Engpässen geführt zu haben. Seit dem Tod Roland Bohlingers im vergangenen Jahr scheint der Versandhandel weitestgehend inaktiv zu sein. Als potentieller Nachfolger ist sein Sohn Dietrich Bohlinger zur Stelle, der auch früher schon involviert war. Dass es Bestrebungen gibt, Bohlingers Arbeit fortzusetzen, davon zeugte jüngst eine öffentliche Investorensuche und ein Spendenaufruf.

Heinz Mahncke
Als freier Publizist betätigt sich Heinz Mahncke aus Tellingstedt. Mahncke war Mitglied der Waffen-SS und nach 1945 Mitbegründer der „Sozialistischen Reichspartei“ (SRP). Seine Publikationen handeln zumeist von seinen Erinnerungen an die Waffen-SS und seinem Leben unter der „Besatzungsdiktatur“ der Alliierten. Als Herausgeber war er an der Zeitschrift „Volk in Bewegung“, der JN-nahen Organisation „Bewegung Deutsche Volksgemeinschaft“ beteiligt. Auch sonst bewegt sich Mahncke vor allem im Umfeld der NPD Schleswig-Holstein und betätigt sich hier als Referent und Autor.

Reinhard Uhle-Wettler
Der Kieler Brigadegeneral a.D. der Bundeswehr, mittlerweile in Timmendorfer Strand wohnhaft, ist Autor verschiedener geschichtsrevisionistischer Bücher, wie beispielsweise einer Festschrift für den Holocaust-Leugner David Irving, passenderweise erschienen in Muniers Arndt Verlag. Ebenso schrieb Uhle-Wettler in der Vergangenheit für verschiedene Publikationen, wie der, in der „Zuerst!“ aufgegangenen, „Nation & Europa“. Öffentlichkeitswirksam tritt er auch schon mal mit der Forderung auf, die Strafbarkeit der Holocaust-Leugnung aufzuheben.
Neben seiner publizistischen Tätigkeit war er von 1995 bis 2008 Vorsitzender der „Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft“ (SWG). Die SWG leistet vor allem geschichtsrevisionistische Bildungsarbeit und hat ihren Sitz in Hamburg. Neben eindeutig rechten Akteuren wie Alfred Mechtesheimer und Manuel Ochsenreiter finden sich in der Referentenliste der SWG auch vielfach Personen, die nicht dem rechten Spektrum zuzuordnen sind. Die SWG stellt eine wichtige Verbindung dar zwischen konservativem und rechtem Milieu, mit überregionaler Bedeutung. Dabei bestehen auch bundesweite Kontakte zu Burschenschaften und Verbindungen. Referenten und Funktionäre sind vielfach Aktive oder „Alte Herren“, so ist beispielsweise der aktuelle Vorsitzende der SWG, Menno Aden, Mitglied des „Corps Franconia Tübingen“ und die Burschenschaft „Germania Königsberg zu Hamburg“ hat der SWG in der Vergangenheit mehrfach Räume bereit gestellt . Sowohl thematisch, als auch personell werden die Überschneidungen zum „Lesen&Schenken“-Komplex sichtbar. Nicht nur ist Manuel Ochsenreiter Referent für die SWG, auch Uhle-Wettlers Bruder Franz Uhle-Wettler, der selbst für die „Junge Freiheit“ schreibt, nahm 2013 am Lesetreffen des „Schulverein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen e. V.“ teil. Reinhard Uhle-Wettler tritt auch als Referent für die GfP auf. Den Vorsitz der SWG übernahm er übrigens von Hugo Wellems – Pressereferent unter Joseph Goebbels.

Walter T. Rix


Walter T. Rix

Walter T. Rix ist ehemaliger Dozent der Literaturwissenschaften und Geschichte an der Universität Kiel, sowie zeitweise an der Immanuel-Kant-Universität in Kaliningrad. Rix ist in verschiedenen Vertriebenenverbänden aktiv. Insbesondere im Umfeld der „Landsmannschaft Ostpreußen“ hat er sich stark engagiert und war auch als Autor im „Ostpreußenblatt“ bzw. der „Preußischen Allgemeinen Zeitung“, dem offiziellen Presseorgan der Landsmannschaft, vertreten. 2009 bekam er für seine „Verdienste“ für Ostpreußen das „Goldenen Ehrenzeichen“ der Landsmannschaft verliehen.
Daneben war er auch in verschiedenen ähnlichen Publikationen vertreten, wie der „Nation & Europa“ oder dem rechtskonservativen Magazin „Criticón“.
Rix arbeitet außerdem in der „Agnes Miegel Gesellschaft“. Dass Agnes Miegel eine glühende Verehrerin Hitlers war, stört ihn dabei nicht, denn die Gesellschaft sei schließlich nur ein Verbund heimatvertriebener Ostpreuß_innen. Dazu ist Rix Vorsitzender des „Kuratorium Arnau e.V.“, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, eine evangelische Kirche in Rodniki bei Kaliningrad zu restaurieren. Neben diesem Engagement in der Vertriebenen-Szene pflegt Rix u.a. rege Kontakte zum oben genannten „Schulverein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen e. V.“ und trat bereits als Referent bei der SWG auf.
Rix Engagement für verschiedene Vertriebenenverbände, sowie insbesondere seine akademische Vita, stellen einen Unterschied zu den oben genannten Akteuren dar. Aus dieser Position heraus gelingt es Rix als Autor und Referent, sowohl in Vertriebenenverbänden und konservativen Publikationen Anschlüsse an ein bürgerlich-konservatives Milieu zu pflegen, als auch mit Vertreter_innen der Neonaziszene zu kooperieren. Dass es sich dabei auch um „Lesen&Schenken“ bzw. den „Schulverein“ handelt, ist angesichts dieser inhaltlichen und strategischen Ausrichtung wenig überraschend.


Jens Lütke (mit Megafon) auf einer neonazistischen Demonstration im März 2012 in Lübeck

Neuigkeiten aus Neumünster und Kiel

Zu der schleswig-holsteinischen Rechten gab es jüngst mehrere Veröffentlichungen, auf die wir hier verweisen möchten.

In Neumünster wurde mit Marco Müller ein Neonazi aus dem Umfeld von “Athletik Klub Ultra” und “Club 88” als Mitarbeiter des örtlichen Jobcenters enttarnt . Außerdem ging durch die Medien, dass eine Spedition aus dem Hamburger Umland die Zusammenarbeit mit den fünf Neumünsteraner Neonazis Wladimir Krutsch, Viktor Krutsch, Martin Marquardt, Andreas Regner und Mark Proch nach einer antifaschistischen Veröffentlichung beendet hat. Artikel gibt es bei dem NDR und dem SHZ .

In Kiel wurden die Neonazis Svante Kürschner an der Fachhochschule und Henning Pless an seiner Heilpraxis Ziel antifaschistischer Proteste.

Rechtspopulismus in Schleswig-Holstein -Parteien und Organisationen-


Die rechten Aktivisten Lennart Krakow (rechts), Teja Teufel (2.v.l.) und dessen Bruder Thore Ragnar (2.v.r.)

Zweiter Teil einer dreiteiligen Artikelreihe .

Insbesondere nach der Veröffentlichung von Thilo Sarrazins Buch “Deutschland schafft sich ab” im Jahr 2010 versuchten sich in ganz Deutschland rassistische Organisationen, Parteien und selbsternannte “Bürgerbewegungen” in Stellung zu bringen. Neben neuen Mitgliedern und Strukturen schienen auch langjährige Protagonist_innen, beflügelt durch die Aussicht im Zuge der breiten rassistischen “man wird ja wohl noch sagen dürfen”-Debatten, ihre eigene Machtbasis zu stärken und sich und ihren Organisationen schon einmal für zukünftige Wahlerfolge eine günstige Ausgangsstellung zu sichern. Wie oft in der Geschichte des Rechtspopulismus herrschte eine Goldgräberstimmung um ein gesellschaftliches Potential, das in der Form noch gar nicht existierte. Diese Hoffnung gründet sich auf die Überzeugung, den verborgenen “wahren” Willen der Mehrheitsgesellschaft zu vertreten, der nur noch nicht offen zu Tage treten würde, da Politiker_innen und Medien versuchen würden, das “Volk” mit Denkverboten zu belegen und mit Falschmeldungen zu manipulieren.

Parteien und Organisationen in Schleswig-Holstein

Im Jahr 2011 trat in Schleswig-Holstein verstärkt ein Personenspektrum auf den Plan, das sich sowohl als “Bürgerbewegung Pax Europa“, “Die Freiheit” und “PI-News” bezeichnete. Damit konterkarierten die Protagonist_innen die Bemühungen auf Bundesebene der jeweiligen Organisationen, ihre Unabhängigkeit voneinander zu betonen. Die regionalen Schwerpunkte lagen, bedingt durch die Wohnorte der Mitglieder, vor allem im nördlichen Umland von Hamburg und in Kiel. Aktionistisch fielen Flugblatt-Aktionen und Info-Stände zu einem breiten Themenspektrum ins Auge, deren einziger gemeinsamer Nenner die rassistische Deutung der Geschehnisse zu sein schien. So richteten sich die Aktivitäten gegen spezielle Badezeiten für Frauen in Schwimmbädern, schließlich seien diese ein Beleg für die schleichende Etablierung der Scharia in deutschen Amtsstuben, gegen die “Diktatur der EUdSSR” oder allerlei andere lokale oder zeitgeschichtliche Ereignisse, die mit Hang zu Verschwörungstheorien islamophob instrumentalisiert wurden. So wurde gemutmaßt, dass “Albaner-Clans” die Kieler CDU unterlaufen würden, um diese für ihre angeblichen Machenschaften zu missbrauchen.
Organisatorisch gliedert sich das Spektrum vor allem in einen parteipolitischen Flügel in der “Freiheit” und in die Ortsgruppen von “PI-News”. Die “Bürgerbewegung Pax Europa” scheint in Schleswig-Holstein ein reines Label ohne organisatorische Bedeutung zu sein. Personell sind die Organisationen ohnehin eng verzahnt. “Die Freiheit” gründete ihren Landesverband Schleswig-Holstein in Frühjahr 2011. Innerhalb der Kleinstpartei waren schnell zwei Sparten erkennbar: Ein junger, aktionistischer Teil vor allem aus dem Umfeld der Kieler Burschenschaften und ein älterer, eher spießbürgerlicher Flügel um den Landesvorsitzenden Steffen Rotermundt (Ahrensburg) und dessen Stellvertreter Rüdiger Mischuretz (Kaltenkirchen).
Zunächst gelang es den beiden Flügeln, in den jeweiligen sozialen und politischen Umfeldern eine personelle Basis für ihre Aktionen zu rekrutieren. Während der Finanzmakler und ehemalige CDU-Lokalpolitiker Steffen Rotermundt (Betreiber einer Niederlassung der Deutschen Vermögensberatung in Hamburg) und sein Vize Rüdiger Mischuretz (Betreiber des dubiosen Finanzberatungsunternehmens “mischuconsult”) verstärkt ältere Konservative mobilisierten, die sich aufgrund eines vermeintlichen “Linksrucks” von der CDU abwendeten, versuchten die Führungsfiguren in Kiel die studentischen Verbindungen und deren Umfeld für die vermeintlich gemeinsame Sache zu gewinnen. Zunächst kam den Kieler Mitgliedern des Landesvorstands der Jugendorganisation der “Freiheit” um Lennart Krakow, Teja Teufel, Kristof Heitmann (inzwischen verzogen nach Innsbruck) und Felix Schnoor (inzwischen verzogen nach Frankfurt am Main) die traditionelle Rechtslastigkeit und das burschenschaftliche Gebaren des Kieler Verbindungswesens entgegen. Ausgehend von der Pennälerschaft der nationalistischen Burschenschaft “Teutonia” konnten sie ungestört in weiten Teilen der Kieler Verbindungen agieren. Begünstigt durch den traditionellen “Corpsgeist” in den elitären Männerbünden, schienen auch Kritiker ihrer Machenschaften sie gewähren zu lassen. Erst als sich die Öffentlichkeit für die “Teutonia” aufgrund ihrer rechten und völkischen Verstrickungen zu interessieren begann, kam es zum Machtkampf zwischen der Führungsebene der Burschenschaft und den radikaleren “Freiheit”-Aktivisten. Lennart Krakow, Teja Teufel und dessen Bruder Thore Ragnar (inzwischen verzogen nach Geraberg, Thüringen) verließen Ende 2011 die Burschenschaft und wurden für das Verbindungshaus mit einem Hausverbot belegt. Als Auffangbecken für die Geschassten diente die “Gymnasiale Burschenschaft Germania”, die sich das Haus mit der “Alten Königsberger Burschenschaft Alemannia” teilt. In Kreisen der “Alemannia” mussten die “Germanen” keinerlei Abgrenzung mehr fürchten: Als Mitglied des radikalen Dachverbands “Deutsche Burschenschaft” machte die “Alemannia” u.a. damit Schlagzeilen, einen Vortrag mit einem Veteranen der “Legion Condor” organisiert zu haben . Passend dazu konnten die Neu-“Germanen” nun auch auf alle taktische Zurückhaltung verzichten. Die Farben der “Germania” dürften nicht zufällig Schwarz-Weiß-Rot sein und die Verbindungen in neonazistische Kreise wurden intensiviert. 2013 machte die Kieler “Germania” Schlagzeilen aufgrund ihrer “Hatz” mit der “Chattia Friedberg” aus Hamburg , ausgetragen in dem Haus der “Germania Hamburg”, einer neonazistischen Burschenschaft die gern mit den Slogan “Heil Germania” für sich wirbt. Mit der Radikalisierung der Kieler Mitgliederschaft gingen ihre Aktivitäten für die Partei “Die Freiheit” allerdings nach und nach zurück, sodass sich deren Aktionen zunehmend auf das nördliche Hamburger Umland konzentrierten.


Die Burschenschaft “Teutonia” im Jahr 2010, rechts hinten die Aktivisten der “Freiheit”

Allerdings bröckelte auch dort zunehmend die Fassade. Nachdem Rüdiger Mischuretz nur kurze Zeit aktiv war, wurde er als Vize durch Claus Schaffer (Bad Oldesloe) ersetzt. Während Steffen Rotermundt zwar stets eine gute Verbindungen zu den radikal-rassistischen Kräften innerhalb der “Freiheit” hatte, gilt seine Unfähigkeit intern als ausgemachte Sache. Nachdem er 2012 in den Bundesvorstand gewählt wurde, begründete der rechte Multifunktionär Christopher von Mengersen seinen Austritt aus der Partei neben der inhaltlichen Ausrichtung auch mit der Unfähigkeit Rotermundts. Als sich auch der Elmshorner Aktivposten Daniel Buhl Richtung “Wahlalternative 2013” bzw. später AfD abwandte, hing die Verantwortung allein an Schaffer. Dieser organisierte die letzten Treffen Anfang 2013, versuchte Mitglieder zu rekrutieren und pflegte die virtuellen Auftritte des Landesverbands. Nach seinem Ausstieg im Frühjahr 2013 existiert der Landesverband nur noch auf dem Papier.

Mit der “German Defence League” (GDL) gründete sich parallel zu den Parteien und reinen Internetprojekten eine aktionistische Organisation mit inhaltlicher und personeller Nähe zu der “Pro”-Bewegung, “PI-News” oder “Die Freiheit”. Während insbesondere die Parteien zumindest nach außen ihre demokratische Grundhaltung und ihre Bürgerlichkeit betonen, pflegen der Anhänger_innen der GDL lieber den martialischen Auftritt. In Anlehnung an das Vorbild der “English Defence League” wird mit Symboliken aus dem Hooliganmilieu gespielt und sich als heroische Verteidiger_innen Deutschlands inszeniert. Slogans wie “never surrender” oder “maximum resistance” zeugen von dem aktionistischen und gewaltaffinen Selbstverständnis.
Auch in Schleswig-Holstein gründeten sich zwei “Divisionen”, also Ortsgruppen, der GDL in Lübeck und Kiel. Die inzwischen wieder aufgelöste Lübecker GDL-Formation wurde dominiert von Anja und Stephan Buschendorff. Im Jahr 2012 und Anfang 2013 organisierten die Buschendorffs mehrere Kundgebungen in Lübeck und Hamburg, meist unterstützt von weiteren GDL-Mitgliedern aus ihrem persönlichen Umfeld wie Tobias Beese, u.a. Veranstalter von Grauzonenkonzerten in Lübeck. Die größte Aufmerksamkeit zog ein neu-rechter Aufzug in Hamburg-Horn im März 2013 auf sich, der von Stephan Buschendorff angemeldet wurde und an dem verschiedene Gruppierungen insbesondere des islamophoben Spektrums teilnahmen . Vor allem Stephan Buschendorff hatte nie Berührungsängste mit neonazistischen Kreisen und diese Tendenzen verstärkten sich im Jahr 2013. So wurde die “German Defence League Lübeck Division” zugunsten des Anti-Antifa-Projekts “Antilinke Aktion Nord” eingestellt. Stephan Buschendorff ist inzwischen Teil der schleswig-holsteinischen Kameradschaftsszene und setzt seinen persönlichen Schwerpunkt unverändert in der Anti-Antifa-Recherche . Auch wenn Buschendorff sich öffentlich meist zurückhaltend äußert und versucht, allgemeine Querfrontstrategien gegen Gewalt, welche seiner Meinung nach selbstredend von Linken und Migrant_innen ausgehen würde, anzuwenden, bedeutete sein Eintritt in die Neonaziszene das Ende der GDL in Lübeck. Eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Spektren über die persönliche Ebene hinaus ist dauerhaft kaum vorstellbar, schließlich werfen die Neonazis der GDL jüdische Traditionen (vermeintliche Anlehnung des Namens an die Jewish Defence League) und einen zu “weichgespülten” Kurs vor.
Die GDL in Kiel existiert bisher weitgehend virtuell. Entstanden aus im Umfeld der Burschenschaften “Germania” und “Alemannia”, den Kieler Resten der “Freiheit” und der “Identitären Bewegung” kam die Gruppierung nie über heroische Durchhalteparolen und Aufforderungen zum intensiven Kampfsport-Training auf dem zugehörigen Facebook-Profil hinaus. Nach wenigen Treffen scheint auch dieses Kapitel der selbsternannten neu-rechten Strassenbewegung wieder beendet, bevor es richtig begonnen hatte.

Die meist rein virtuell auftretenden Zusammenschlüsse innerhalb der inzwischen wieder im Niedergang befindlichen neu-rechten “Identitären Bewegung” (IB) versuchten sich auch in Schleswig-Holstein vereinzelt in Stellung zu bringen. Eigenständig aktionsfähig waren diese losen Zusammenhänge nie, lediglich im Bereich der Reste der “Freiheit” und im Umfeld der GDL in Kiel und Lübeck gab es eher sporadische Aktionen. Vereinzelte virtuelle Auftritte der IB aus kleineren Städten, wie beispielsweise Eckernförde, scheinen keine aktive Basis vor Ort zu haben. Die Aktionen beschränkten sich meist auf das kleben von Aufklebern oder intern mobilisierte kleine Veranstaltungen. Interessant ist darin vor allem die Mischszene aus Burschenschaftlern, Neonazis und Rassist_innen aus dem Umfeld von “PI-News” und “Die Freiheit”, die unter dem gemeinsamen Label der IB scheinbar problemlos zusammenarbeiten. Insbesondere an dem oben erwähnten Aufmarschversuch in Hamburg-Horn und bei einem internen Treffen mit anschließender Spontandemonstration im Januar 2013 in Kiel nahmen neben Mitgliedern der neu-rechten und rechtspopulistischen Organisationen, wie Lennart Krakow, auch Mitglieder der Ostholsteiner Neonaziszene teil, die mit der “Identitas Gemeinschaft” den Versuch begehen, ihrem Neonazismus ein moderneres Erscheinungsbild zu geben.


“Pro-Deutschland” im Februar 2013 in Lübeck, 4.v.l. Stephan Buschendorff, 5.v.l Tobias Beese, 6.v.l. Anja Buschendorff

In Schleswig-Holstein konnte die vor allem auf Provokation setzende “Pro“-Bewegung, vorrangig bestehend aus den zerstrittenen Teilen “Pro Deutschland” und “Pro NRW”, nie eine echte Basis gewinnen. Zur Bundestagswahl 2013 versuchte “Pro Deutschland” in allem Bundesländern mit eigenen Landeslisten anzutreten. In Schleswig-Holstein sollte Stephan Buschendorff von der GDL Lübeck den ersten Platz einnehmen. Es folgten weitgehend unbekannte Personen, die zum Teil nicht aus Schleswig-Holstein stammen. Einziger wahrnehmbarer Wahlkampfversuch war eine Kundgebung in Lübeck, organisiert von Lars Seidensticker (Bundesgeschäftsführer “Pro Deutschland”) und Mitgliedern der GDL Lübeck . So scheiterte schon das Sammeln der benötigten Unterstützungsunterschriften und in Schleswig-Holstein wurde, wie in zwei weiteren Bundesländern auch, die Landesliste gar nicht erst zur Wahl zugelassen.

Die Alternative für Deutschland sorgte in den letzten Monaten sowohl in zivilgesellschaftlichen wie auch in antifaschistischen Kreisen für Debatten. Grundsätzlich geht es um die Frage, ob die AfD rassistisch oder rechtspopulistisch sei und auch über Verbindungen in neonazistische Kreise wird vereinzelt berichtet. Wir möchten zu diesen Fragen auf lesenswerte Texte, insbesondere im Rahmen der Kampagne “Nationalismus ist keine Alternative” verweisen und werden hier auf eine generelle Einordnung des grundsätzlichen Rassismus und Chauvinismus der AfD verzichten. Wir wollen lediglich aufzeigen, dass die von der Parteiführung stets und ständig wiederholte Distanz zu offen rassistischen Organisationen in Schleswig-Holstein schon in der Entstehung nicht bestand, die AfD demnach nicht von einzelnen Personen aus dem rassistischen Spektrum unterwandert wurde, sondern maßgeblich von einem ehemaligen Aktivisten der “Freiheit” aufgebaut wurde. Somit ist das ganze Fundament des Landesverbands rassistisch, auch wenn dies inzwischen durch die Partei zu kaschieren versucht wird.



Daniel Buhl im Wandel der Zeit

Die AfD ging vor der Bundestagswahl 2013 aus einer Bewegung namens “Wahlalternative 2013” (WA2013) hervor. In ganz Deutschland hatte die WA2013 regionale Strukturen, die Mitglieder und Interessent_innen für die Parteigründung gewinnen sollten. Hierzu gab es “Regionalkoordinatoren”, die in ihren jeweiligen Bundesländern oftmals allein oder mit wenigen anderen versuchten, lokale Verankerung zu schaffen. Der “Regionalkoordinator” für Schleswig-Holstein war Daniel Buhl aus Elmshorn. Buhl machte sich einen Namen als langjähriger Aktivist der “Freiheit” und im Umfeld von “PI-News”. Er war an Flugblattaktionen beteiligt und vor allem virtuell aktives Mitglied der rassistischen Bewegung in Schleswig-Holstein und Hamburg. Anfang des Jahres 2013 lud er potentielle Interessent_innen der WA2013 zu Informationsveranstaltungen ein, pflegte die Internetauftritte der Gruppierung und fungierte als Ansprechpartner für die bundesweiten Strukturen. Nach Gründung der AfD im Februar 2013 wechselte Daniel Buhl von der Rolle als Hauptorganisator ins zweite Glied und fungierte als stellvertretender Sprecher des AfD-Kreisverbands Pinneberg. Offenbar war den Verantwortlichen der Partei die Brisanz der Personalie Buhl durchaus bewusst. Auch aktuell ist seine Frau Katja Jung-Buhl verantwortlich für die Telefonsprechzeiten des AfD-Landesverbands und werden die Wahlkämpfe der AfD zur Bundestagswahl 2013 und Europawahl 2014 von Daniel Buhl bei Kundgebungen, als Plakatierer und über soziale Netzwerke unterstützt. Inzwischen ist mit Eberhard David, ehemaliger Schriftführer des Landesvorstands der “Freiheit”, ein weiterer “Die Freiheit”-Aktivist aus dem Umfeld von Buhl als Schatzmeister im Vorstand des AfD-Kreisverbands Pinneberg. Neben seinem langjährigen Engagement in rassistischen Organisationen protestiert David als Mitglied der “Bürgerinitiative Lebensqualität” gegen eine Erweiterung eines Gewerbegebiets in seinem Heimatort Halstenbek .
Angesichts des organisatorischen Ursprungs der AfD in Schleswig-Holstein aus dem Spektrum der “Freiheit” und der personellen Kontinuität erscheinen Versuche der Parteiführung, die Nähe zum offen rassistischen Spektrum zu leugnen oder durch Unwissenheit zu erklären, als reine Makulatur.

Neben den genannten Organisationen existieren mit der “Rechtstaatlichen Liga” in Lauenburg um den ehemaligen Landesvorsitzenden der Schill-Partei und ehemaligen NPD-Kreisvorsitzenden Kay Oelke und “Wir sind das Volk” um Wilfired-Hassan Siebert und Hans Müller aus Norderstedt zwei Zusammenschlüsse, deren Programmatik zum Teil rechtspopulistisch ist, aber aufgrund ihrer personellen Nähe zur Neonaziszene eher in diesem Zusammenhang zu betrachten sind.

Mobilisierungspotential und Ausblick

Das Mobilisierungspotential ist in dem beschriebenen Spektrum nicht einheitlich zu fassen.


Daniel Buhl im Shirt der “Freiheit”

Insbesondere die Diskrepanz zwischen der Teilnahme an Diskussionen in sozialen Netzwerken, dem Agitieren im näheren sozialen Umfeld oder gelegentlichen Einzelaktionen wie dem Verkleben von rassistischen Aufklebern auf der einen und der Bereitschaft zum dauerhaften Engagement auf der anderen Seite, ist hier besonders ausgeprägt. So könnten die vermeintlich gemäßigteren Positionierungen breitere Personenkreise ansprechen als die Propaganda der Neonazis. Bis auf die AfD hat aber keine rechtspopulistische Organisation in Schleswig-Holstein ein mit der NPD oder den Kameradschaften vergleichbares Personenpotential für öffentlichkeitswirksame Aktionen, obwohl auch die Neonazis aktuell schwächeln. Viel wird von der weiteren Entwicklung der AfD abhängen. Gelingt die weitere Etablierung, könnte das Spektrum um “PI-News”, “Die Freiheit”, “German Defence League” oder “Pro” endgültig zwischen AfD und Neonazis aufgerieben werden. Die aktuellen Wahlergebnisse und die personellen Abwanderungen sprechen für das Potential einer stärkeren und bürgerlich auftretenden AfD und einer schwächeren aber gefestigten radikalen Neonaziszene. Ob sich abseits dieser beiden rechten Positionierungen noch ein radikal-aktionistisches, aber nicht neonazistisches Spektrum halten kann, ist zur Zeit fraglich. Diese Situation könnte sich aber ändern, wenn sich innerhalb der AfD mit der Übernahme von Mandaten auch die Positionierungskämpfe zwischen rechts-liberalen und offen rassistischen Kräften verstärken oder die NPD verboten werden würde. In diesem Fall könnten die Rechtspopulist_innen, die jüngst ihre angestammten Organisationen in Richtung AfD (z. B. Daniel Buhl, Eberhard David) oder Neonazismus (GDL Lübeck, “Die Freiheit”-Jugend in Kiel) verlassen haben, ein neues Auffangbecken für rassistische Aktivist_innen in Schleswig-Holstein suchen. Bis dahin gilt es, neben den angestammten Neonazis, vor allem die AfD und ihre rassistischen Ursprünge und rechtspopulistische Programmatik verstärkt zu beleuchten.


Daniel Buhl organisiert am 2. Februar 2013 einen Informationsabend der WA2013 in einem Lübecker Lokal

Daniel Buhl (rechts) im Kreisvorstand der AfD Pinneberg 2013

Daniel Buhl (2.v.l.) als Wahlkampfhelfer für die AfD zur Bundestagswahl 2013

Stand von “PI-News” in Kiel 2011

Übersicht zur Artikelreihe Rechtspopulismus in Schleswig-Holstein

Hier die Links zu den drei Artikeln unserer Artikelreihe zum Rechtspopulismus in Schleswig-Holstein:

Einleitung

Parteien und Organisationen

Akademische Rechte und rechte Publizistik

Vorstellung Artikelreihe zum Rechtspopulismus in Schleswig-Holstein


Flugblattaktion der Partei “Die Freiheit” in Pinneberg 2011

In den nächsten Wochen möchten wir in einer dreiteiligen Artikelreihe einen Überblick zu der Thematik des so genannten Rechtspopulismus und der Neuen Rechten in Schleswig-Holstein geben.

Situation
Die rechte Szene Schleswig-Holsteins befindet sich in einer Konsolidierungsphase. Bedingt durch die Schwächen der etablierten Strukturen bildet sich zunehmend eine Mischszene mit verschiedenen Aktions- und Organisationsformen. Welche Strömungen existieren und wie deren Chancen auf Hegemonie innerhalb der Rechten oder gar auf gesamtgesellschaftlichen Einfluss sind, möchten wir in unserer Artikelreihe aufzeigen und abschätzen. Dabei soll nun insbesondere auf rechtspopulistische bzw. kulturrassistische und neurechte Bestrebungen eingegangen werden, da wir die neonazistische Rechte, mit besonderem Fokus auf die NPD, bereits in einem früheren Leitartikel beleuchtet haben.
Unter Rechtspopulismus fassen wir dabei nach pragmatischen Gesichtspunkten jene Strömungen zusammen, die rassistische und (sozial-) chauvinistische Positionen als ihre wesentlichen identitätsstiftenden Merkmale begreifen, sich allerdings mehr oder weniger von dem klassischen völkischen Neonazismus abgrenzen. Zu betonen ist dennoch, dass einzelne Versatzstücke faschistoider Denkmuster oder persönliche Kontakte zu Neonazis eher die Regel als die Ausnahme darstellen.
Unter dem gemeinsamen Deckmantel des Kampfes gegen “Überfremdung” und “Identitätsverlust” finden sich heterogene Personengruppen und Strukturen zusammen, die gemeinsam gegen vermeintliche Verschwörungen der “Gutmenschen”, “Linken” oder Migrant_innen vorgehen. Fraglich ist, ob die Szene ohne vereinfachende Stilisierung eines gemeinsamen Feindes überhaupt Politikfelder finden würde. So sind die beiden “Divisionen” der “German Defence League” in Kiel und Lübeck grundverschieden, nur ihre positive Bezugnahme auf die Deutsche Nation und die Ablehnung bestimmter Minderheiten scheint verbindend zu wirken. Auch das restliche hier betrachtete Spektrum reicht von eher akademisch-bieder geprägten Mitgliedern bis hin zu aktionistischen Personenkreisen mit Kontakten zur neonazistischen Rechten.

Artikel
Das rechtspopulistische Spektrum in Schleswig-Holstein ist mehr von personeller als von struktureller Kontinuität geprägt. Viele Protagonist_innen sind in ihrer Vergangenheit schon bei anderen rechtspopulistischen Organisationen aktiv gewesen oder sind aus bürgerlich-konservativen bzw. neonazistischen Kreisen in die Szene eingestiegen. Dabei erwiesen sich die Organisationsnamen oft als austauschbare Labels, unter denen nach Reorganisationsprozessen firmiert wurde. Die Hoffnung mit neuen Namen und aufpolierten Konzepten auch über die bestehende Szene hinaus neues Mobilisierungspotential zu schaffen, erwies sich dabei meist als Trugschluss.

Trotz des teilweise regen strukturellen Wandels können wir verschiedene Strömungen anhand ideologischer, aktionistischer und sozialer Muster unterscheiden. Diese Kategorien sind dabei ebenso wenig trennscharf wie die Diffenrenzierung vom klassischen Neonazismus, sondern dienen lediglich der groben Orientierung und Übersichtlichkeit.

Insbesondere Thilo Sarrazins 2010 erschienenes Werk “Deutschland schafft sich ab” geriet innerhalb kürzester Zeit zur Steilvorlage für verschiedene Gruppierungen von bürgerlichen Parteien bis zur NPD. Doch während sich letztere Zusammenschlüsse meist nur gewisser Fragmente der rassistischen Thesen Sarrazins bedienten und die Gesamtheit seiner Theorien wahlweise als zu radikal oder nicht radikal genug ablehnten, gab es in einem anderen Spektrum einen regelrechten Wettlauf um den Status “der” Partei, “des” Internetportals oder “der” “Bürgerbewegung” zum Buch Sarrazins. Schnell wurde die Forderung nach einer starken “blauen Partei” laut, also einer kulturrassistischen, rechtspopulistischen Partei nach dem Vorbild der FPÖ in Österreich oder Vlaams Belang in Belgien. Im anschließenden zweiten Artikel unserer Reihe werden wir uns mit Parteien und sonstigen Organisationen aus diesem Lager beschäftigen.

In Artikel drei wird die akademische Rechte und rechte Publizistik dargestellt. Die Burschenschaften und ihr Umfeld stellen traditionell die personelle Basis für verschiedene rechte und rassistische Strömungen. Nahezu alle einschlägigen Organisationen haben Mitglieder von studentischen Verbindungen in ihren Reihen. Demnach kommt insbesondere den radikaleren unter den Burschenschaften, Corps und Landsmannschaften neben ihrem angestammten Wirken innerhalb akademischer Kreise auch immer eine wichtige Funktion als Sozialisierungspool für andere rassistische und neonazistische Strukturen zu. So sind viele Autoren rechter Publizistik Burschenschaftler. Insbesondere in Schleswig-Holstein weisen einschlägige Verlage vielfältige Verstrickungen mit neonazistischen Kreisen auf, weshalb dieser Artikel sich auch zum Teil mit vergangenen Veröffentlichungen über die Neonaziszene überschneidet.

Die Darstellungen der Strukturen und Verstrickungen im Rahmen dieser Reihe sollen dem Versuch dienen, die derzeit viel diskutierten und in weiten Teilen dubios anmutenden Positionen der Neuen Rechten mit Bezug auf Schleswig-Holstein transparenter zu machen. Auch halten wir es für wichtig, sowohl die (zuweilen zweifelhafte) Abgrenzung zu als auch die Überschneidungen mit neonazistischen Gruppierungen herauszustellen.

Artikel über den NPD-Kreisverband Lauenburg-Stormarn

Die Antifaschistische Aktion Stormarn veröffentlichte jüngst einen Artikel , der den aktuellen Zustand des NPD-Kreisverbands Lauenburg-Stormarn nach dessen Restrukturierung beschreibt. Nötig war diese Neuaufstellung nach dem Austritt des Führungskaders Kay Oelke im Frühjahr 2013 geworden.

Im März veröffentlichten wir einen Übersichtsartikel , der in Kurzform die aktuelle Lage aller NPD-Kreisverbände in Schleswig-Holstein beschreibt. Außerdem sei nochmals der kürzlich von Antifaschist_innen heraus gebrachte Überblick über Neumünsters Neonaziszene empfohlen, der auch den örtlichen NPD-Kreisverband ausführlich beschreibt.