Zwei Faschisten betreiben “Recherche” bei Antifa-Demo

Am 26.07.2013 fand in Hamburg der erste Prozesstag gegen einen Antifaschisten aus Kiel statt. Die Vorwürfe gegen ihn beziehen sich auf die Ereignisse um den Neonazi-Aufmarsch “Tag der Deutschen Zukunft” am 02.06.2012. Damals hatte die Polizei hunderte Antifaschist_innen verletzt und gefangen gehalten um den neonazistischen Aufmarsch zumindest auf einer Alternativroute zu ermöglichen. Eine Analyse der Ereignisse und zu den Umständen der Anklage finden sich in einem Text der Autonomen Antifa Koordination Kiel .

Der Prozess wurde von einer antifaschistischen Demonstration begleitet. Diese rief auch zwei bekannte Faschisten auf den Plan, die mittels Videos und Fotos Anti-Antifa-“Recherche” betreiben wollten. Namentlich zugegen waren Stephan Buschendorff aus Lübeck und Walter Hoeck aus Hamburg.
Buschendorff ist mit seiner Frau Anja die treibende Kraft hinter der “German Defence League Lübeck Division” und war in Schleswig-Holstein als Spitzenkandidat für “Pro Deutschland” bei der Bundestagswahl 2013 vorgesehen. Mangels Unterstützer_innenunterschriften scheiterte allerdings die Kandidatur. Buschendorff trat als Anmelder diverser kleiner Kundegebungen, so in Hamburg-Horn gegen den dortigen Moschee-Bau und bei einem Infostand von “Pro Deutschland” in Lübeck auf. Zuletzt wurden Buschendorffs Kontakte zu den “klassischen” Neonazis um NPD und Kameradschaften bekannt .
Walter Hoeck ist der Lebensgefährte von Barbara Jiske und wie diese schon seit Jahren als rechter Akteur in Hamburg aktiv .
Die “Recherche” von Buschendorff und Hoeck war offensichtlich für Buschendorffs Anti-Antifa-Projekt. Im Nachgang der Ereignisse gab Buschendorff bekannt nicht mehr Mitglied der “German Defence League” zu sein, denn diese sei ihm zu “low”. Scheinbar versucht Buschendorff sich durch vermehrte Kontakte zu Neonazis und die Anti-Antifa-Projekte einen Namen im Spektrum der Kameradschaften und “Autonomen Nationalisten” zu machen.


Stephan Buschendorff (rechts) und Walter Hoeck bei der Anti-Antifa-Recherche

Razzia bei Neonazis der “WWTC”


Drei Führungspersönlichkeiten der “WWTC” (von links): Sebastian Rudow, Heiko Wöhler, Nando Grosch

Heute morgen haben Spezialeinheiten der Polizei eine Razzia gegen sechs Neonazis aus der Schweiz, den Niederlanden und Deutschland durchgeführt. Die Gruppe um den Schweizer Neonazi Sebastien Nussbaumer soll im Stil der “Werwolfeinheiten” terroristische Anschläge geplant haben.


Denny Reitzenstein

Die Durchsuchungen stehen auch im mutmaßlichen Zusammenhang mit den Schüssen auf einen Mann durch Nussbaumer im Mai 2012 und dessen Flucht aus der Schweiz nach Hamburg, wo er verhaftet wurde. Sein Ziel war es damals wohl Unterschlupf bei seinen militanten “Kameraden” des “Hamburger Nationalkollektiv/Weisse Wölfe Terrorcrew” (WWTC) zu finden. In Norddeutschland wurden heute in diesem Zusammenhang die Wohnungen von Denny Reitzenstein (Buchholz i.d. Nordheide) und Heiko Wöhler (Blowatz) durchsucht.

Die WWTC hat auch vielfältige Kontakte nach Schleswig-Holstein, neben Mitgliedern die im Hamburger Norden leben, besteht auch reger Austausch mit dem Kameradschaftsstrukturen um “Aktionsbündnis Lübeck-Stormarn” und “Jugend für Pinneberg”. Auch Kieler Neonazis wurden zusammen mit Mitgliedern des WWTC auf Aufmärschen gesichtet. Eine Schlüsselfigur der Vernetzung soll der Anti-Antifa-Aktivist Dennis Brandt (Bilsen) sein.

Presse: Spiegel Online ,Endstation Rechts ,Tagesschau ,NDR ,Wochenblatt (Winsen) ,FAZ

Nachtrag: Die Autonome Pressegruppe hat nach den aktuellen Ereignissen ein lesenswertes Update zu ihrem Reader über die “WWTC” veröffentlicht.

“Soliabend” der Neonazi-Szene in Grevesmühlen

Am 06.07.2013 haben einige Akteure der neonazistischen Szene in Grevesmühlen einen “Soliabend” veranstaltet um Geld für Betroffene militanter Antifa-Aktionen zu sammeln. Die Veranstaltung reiht sich ein in verschiedene Bestrebungen die aktuelle Schwäche der neonazistischen Strukturen Schleswig-Holsteins mit angeblich steigendem Druck von außen zu begründen.


Lars Hildebrandt

So besteht ein Großteil der Öffentlichkeitsarbeit in der Auseinandersetzung mit zivilgesellschaftlichen und antifaschistischen Initiativen gegen Rechts oder behördlicher Maßnahmen. Eigene Inhalte und erfolgreiche Aktionen sind selten.

Der “Soliabend” fand in Grevesmühlen im Neonazi-Zentrum “Thinghaus” statt. Hauptsächliche Organisatoren waren Jörn Gronemann aus Lübeck und Lars Hildebrandt (alias “RaunijaR” oder “ZOG Sux”). Neben Hildebrandt traten zwei weitere Liedermacher auf, u.a. Patrick Kruse, alias “JUGENDGEDANKEN”, aus Hannover. Mobilisiert wurde via Sozialer Netzwerke und diverser neonazistischer Internetportale. Laut Eigenangaben erschienen 50 Neonazis.

Insgesamt fällt auf, dass die neonazistische Rechte in Schleswig-Holstein trotz freiem Eintritt nur 50 Personen mobilisieren konnte und trotz eigener Lokalitäten (z.B. “Club88” in Neumünster) in ein anderes Bundesland auswich. Dies dürfte ein weiteres Indiz für die aktuelle Schwäche der hiesigen Szene sein, denn die örtlichen Strukturen im mecklenburgischen Grevesmühlen sollen bei der Umsetzung der Veranstaltung die benötigte Unterstützung geleistet haben.

Auf linksunten.indymedia.org beleuchtet ein ausführlicherer Artikel die Hintergründe der Veranstaltung.


Mitte: Patrick Kruse (Hannover)

Vier Kommunalmandate für Neonazis in Schleswig-Holstein

…und zwei kamen nüchtern.

Am 26. Mai waren in Schleswig-Holstein Kommunalwahlen. Trotz eines Zustandes zwischen Inaktivität und aktiver Zersetzung hat das neonazistische Lager vier Mandate, verteilt auf drei Personen, erringen können. Nicht einmal die Neonazis selbst verbuchen dies als Erfolg ihrer Arbeit, sondern sehen das Ergebnis der Wahl eher als Beleg für eine ohnehin vorhandene rechte Wähler_innenschaft. Tatsächlich ist der Wahlkampf der schwächste seit Jahren gewesen, lediglich eine Kleinkundgebung und ein paar wenige Flyer und Aufkleber wurden registriert. Dazu kamen Auseinandersetzungen in der Szene, sodass die angestrebte Inszenierung als “Kümmerer-Partei” nicht gelang (wir berichteten schon vor der Wahl über den Wahlkampf) . Selbstredend werden Schuldige im Nachgang des Wahlkampfes wahlweise bei den “linksextremistischen Gewalttätern” oder den “Etablierten” gesucht, nur um notdürftig zu kaschieren was ohnehin allgemein bekannt ist: das Führungspersonal der NPD in Schleswig-Holstein ist unfähig oder hält sich momentan demonstrativ zurück. Nach einer Zeit der Vorherrschaft der Neonazi-Partei gewinnen zunehmend wieder parteiunabhängige Strukturen an Bedeutung in der Szene, allerdings noch auf schwachem Niveau.
In den letzten Wochen fanden in den Kreisen, Städten und Gemeinden in Schleswig-Holstein die konstituierenden Sitzungen der jeweiligen Vertretungen statt. Auch die vier Mandate an Neonazis wurden vergeben. Diese Gelegenheit soll genutzt werden, um die Ereignisse kurz Revue passieren zu lassen und die Chancen der Mandatsträger und ihrer Organisationen abzuschätzen.

Im Kreis Herzogtum Lauenburg und in seiner Heimatstadt Geesthacht trat Kay Oelke für die “Rechtstaatliche Liga” (RL) an und gewann jeweils einen Sitz in der Stadtvertretung von Geesthacht und im Kreistag in Ratzeburg. Nachdem Kay Oelke seine letzte Amtszeit als Abgeordneter noch als NPD-Mitglied absolvierte, entstand vor der aktuellen Wahl Verwirrung um die Bedeutung der RL. Der Landesverband der NPD sah die RL wohl als reine Tarnliste der NPD, um mit dem bürgerlicheren Namen neue Wähler_innengruppen zu erschließen, die “Kameraden” aus der RL lehnten aber zum Teil eine Zusammenarbeit mit der NPD ab. Nach einem Schlingerkurs trat Oelke schließlich aus der NPD aus und sieht sich deshalb mit Anfeindungen der neonazistischen Szene konfrontiert .


Kay Oelke

Die konstituierenden Sitzungen für Oelkes Mandate verliefen unspektakulär, einzig seine Weigerung, sich in der Stadtvertretung von Geesthacht mit anderen ein Ansichtsexemplar eines Antrags zu teilen, sorgte für Erheiterung. Oelke hingegen witterte “Undemokratische Machenschaften – volle Breitseite schon in der ersten Ratsversammlung!” und erkämpfte sich mit verbaler Überzeugungskraft seine eigene Kopie des Antrags. Weitergehende politische Akzente sind von Oelke nicht zu erwarten, schließlich hat er das Wahlprogramm der RL ganz im Stile der Schill-Partei gehalten, deren früherer Landesvorsitzender er war. So sind ein modifiziertes Strafrecht und unabhängigere Richter_innen zentrale Forderungen der RL, ignorierend, dass auf beide Themen weder der Stadtrat von Geesthacht noch der Kreistag in Ratzeburg Einfluss haben.

In Kiel errang der Neonazi Hermann Gutsche auf dem Ticket der “Wahlalternative Kieler Bürger” (WAKB) ein Mandat für seine zweite Amtszeit als Ratsherr von Kiel. Die WAKB stellt eine reine Tarnliste der NPD dar, um trotz des negativen Images Mandate zu erhalten. Die Finanzierung und Organisation wurden durch den Landes- und Kreisverband der NPD gestellt. Trotzdem wurde Hermann Gutsche durch seinen eigenen Kreisverband im Stich gelassen. Weder im Wahlkampf noch bei der Besetzung der Wahlliste gab es wahrnehmbare Unterstützung. Ohne die Allianz mit der neonazistischen Fussballmannschaft “Bollstein Kiel” hätte Gutsche weder die Liste füllen noch einen Wahlkampf führen können, auch wenn dieser wie im Rest des Landes sehr schwach ausfiel. Die Gründe mögen in dem allgemeinen Zustand der Partei liegen, aber auch die Machtkämpfe im Kreisverband, insbesondere zwischen Gutsche und Roland Fischer , dürften ihr Übriges dazu beigetragen haben.


Hermann Gutsche

Während der konstituierenden Ratssitzung kam es zu Protesten innerhalb und außerhalb des Rathauses .

In Neumünster zog erstmals Mark Proch in den Stadtrat ein. Damit ist er der einzige Vertreter, der direkt für die NPD antrat. Proch machte sich zusammen mit seiner Frau Sonja einen Namen in Neumünster, als er Proteste gegen Pädosexuelle organisierte . Mit seinem Kompromiss zwischen neonazistischer Politik auf der einen und anschlussfähiger Mobilisierung auf der anderen Seite schaffte er kurzeitig ein Novum in Schleswig-Holstein: das neonazistische Lager konnte seine klandestinen Zirkel aus rechten Seilschaften, organisierter Kriminalität und internen Szene-Veranstaltungen verlassen und sich an der Spitze eines “Volksmobs” zur Durchsetzung des vermeintlichen “Bürgerwillens” berufen fühlen. Auch wenn dieses Kapitel beendet scheint, spülte seine Bekanntheit Mark Proch an die Spitze der Wahlliste in Neumünster und von dort in den Rat.
Während Hermann Gutsche im nahen Kiel von den “Kameraden” der NPD im Stich gelassen wurde, erschienen zur konstituierenden Ratssitzung in Neumünster ein paar weitere Neonazis. Neben dem stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden Jens Lütke (Preetz) kam u.a. der Wirt der Neumünsteraner Neonazi-Kneipe “Titanic”, Horst Micheel, blieb aber vermutlich aufgrund der Proteste vorm Rathaus im Hintergrund.


Mark Proch wird von Jens Lütke ins Rathaus begleitet

Trotz allem zeigt auch der NPD-Kreisverband Segeberg-Neumünster als zur Zeit aktivster Kreisverband zunehmend Schwäche. Die beiden Aktivposten Daniel Nordhorn (Kreisvorsitzender) und Mark Proch entwickeln sich aufgrund ihrer Eskapaden zum Bumerang für die Partei. Nordhorn gilt als unbeherrscht und unzuverlässig und scheint zunehmend von den Kapriolen seines Privatlebens eingeholt zu werden. Mark Proch wurde nach Berichten von Augenzeug_innen vor seiner Vereidigung im Rathaus von Neumünster trinkend und pöbelnd mit anderen Neonazis in der Innenstadt gesichtet. Jens Lütke musste den offenbar alkoholisierten Proch eigens in das Rathaus begleiten. Auch dort schien er der Sitzung nur schwer folgen zu können. Konsequenterweise wurde die Organisation des Wahlantritts der NPD in Neumünster den lokalen Verantwortlichen schon Anfang des Jahres entzogen und der Landesvorstand übernahm die Aufgaben.


Sonja und Mark Proch als Organisator_innen des “Volksmobs” in Neumünster

Sonnenwendfeier in Schierensee bei Kiel

Wie der Blick nach Rechts berichtet, haben am 22.06.2013 ca. 100 Neonazis in ihrem “Ferienheim” bei Schierensee an einer Sonnenwendfeier teilgenommen. Das Spektrum der angereisten Teilnehmer_innen war aus dem Umfeld der neonazistischen Sekte “Die Ludendorffer”.

In Schleswig-Holstein fallen die “Ludendorffer” immer wieder auf. Auch wenn die personelle Basis eher schwach ist, reisen doch aufgrund des eigenen Veranstaltungszentrums immer wieder Neonazis aus dem ganzen deutschsprachigen Raum an. Mehrere Führungsfiguren wohnen in der Nähe des “Ferienheims”, insbesondere die rechte Versandhändlerin Gisela Stiller (Stafstedt) und das Ehepaar Maren und Nordfried Preisinger (Bühnsdorf). Maren Preisinger sorgte jüngst für Schlagzeilen, als sie aufgrund ihrer völkischen Umtriebe ihre Arbeitsstelle an einer Schule in Reinfeld verlor, wir berichteten.

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Neonazistische Nebelkerzen oder die organisierte Kritikunfähigkeit

In den letzten Monaten tauchten vermehrt Falschmeldungen über die neonazistische Szene mit Bezug zu Schleswig-Holstein auf. Auch wenn aufgrund der meist anonymen Beiträge auf Plattformen wie Indymedia die Urheber_innen nicht eindeutig bestimmt werden können, spricht doch einiges für ein geplantes Vorgehen aus rechten Zusammenhängen, insbesondere der NPD.


Jörn Lemke

In den Jahren 2012 und 2013 sahen sich schleswig-holsteinische Neonazi-Organisationen, besonders die NPD, mit vermehrter Aufklärungsarbeit durch antifaschistische Strukturen konfrontiert. Viele unliebsame Details neonazistischer Grabenkämpfe und Zersetzungsprozesse wurden auf diversen Plattformen veröffentlicht. Oft düpierten diese brisanten Details auch die eigenen “Kameraden”, denn nach nationalsozialistischem Vorbild wird ein weitgehend hierachiefreier Informationsfluss als störend empfunden und selbst der eigenen personellen Basis Propaganda-Märchen über die Situation neonazistischer Politik aufgetischt. So sollen die z. T. völlig realitätsfernen Aktionsberichte, für die speziell die Kader Jörn Lemke und Daniel Nordhorn bekannt sind, nicht nur potentiellen Wähler_innen und Sympathisant_innen das Bild einer handlungsfähigen Organisation vermitteln, sondern auch die Motivation nach innen in die Szene stärken. Schließlich verlieren selbst engagierte “Kameraden” aufgrund der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit und programmatischen Schwäche ihrer Parteispitze die Lust, an öffentlichen Auftritten der NPD teilzunehmen.

In dieser Ausgangslage reagieren die Führungsfiguren zunehmend dünnhäutig auf peinliche Enthüllungen über Grabenkämpfe innerhalb der Szene oder persönliche Verfehlungen der bekannten Neonazis. Als zweifelhafte Gegenstrategie versuchten die Neonazis mutmaßlich durch diverse als antifaschistische Recherche getarnte Falschmeldungen die Glaubwürdigkeit der veröffentlichenden Gruppen in Schleswig-Holstein zu untergraben. So weit, so durchschaubar. Allerdings fielen diese Meldungen bei einigen Antifaschist_innen auf fruchtbaren Boden, weshalb wir die Gelegenheit nutzen wollen, die Strategien der Neonazis zu beleuchten und ein paar Ideen zur quellenbasierten und inhaltlich abgesicherten Recherchearbeit darzustellen.

Den Kern der mutmaßlichen false flag-Aktionen der Neonazis bildeten drei äußerlich sehr ähnliche Beiträge auf de.indymedia.org. In einem wurde der vermeintliche Wechsel vom NPD-Landesvorsitzenden, Ingo Stawitz, zu der neuen Neonazi-Partei “Die Rechte” (DR) bekannt gegeben. Diese Meldung entbehrte jeder Grundlage, griff aber den Grundtenor eines Outings von Stawitz durch Antifaschist_innen auf, in dem Stawitz’ ständige Parteiwechsel thematisiert wurden. In dem gleichen Stil wurden auch vermeintliche Aufmärsche der rechten Szene in Wedel (02.03.2013, s.u.) und Elmshorn (01.05.2013, s.u.) angekündigt, welche allerdings nicht stattfanden und vermutlich nie geplant waren. Antifaschistische Mobilisierungen zu diesen Ereignissen wurden in der Neonazi-Szene aufgegriffen und so die Mär von schlecht informierten Antifaschist_innen weiter belebt. Insbesondere das Partei-Blatt “SH-Stimme” und das Portal der “Freien Kräfte”, “Mein-SH”, griffen diese Thematik auf. Beide Projekte werden von Beobachter_innen der Szene hauptsächlich dem Lübecker Funktionär und NPD-Landespressesprecher Jörn Lemke zugeordnet. Die “SH-Stimme” erscheint unter tatkräftiger Mithilfe von Jens Lütke, Verlagskaufmann und stellvertretender Landesvorsitzender der NPD. Letzterer schrieb auch den entsprechenden Artikel für die “SH-Stimme”.
Lütke ist als organisatorischer und strategischer Kopf des NPD-Landesverbands auch ein mutmaßlicher Drahtzieher der Aktion. Neben dem Zweck, den politischen Gegner propagandistisch in schlechtes Licht zu rücken, ging es auch darum, ganz konkrete und schwerwiegende Enthüllungen zu entkräften. So stand die NPD Ende 2012 vor einem Dilemma, als Marcus Tietz für Schlagzeilen sorgte, indem er sich stümperhaft selbst verletzte, um einen Angriff durch Antifaschist_innen vorzutäuschen. Da Marcus Tietz mit seiner neonazistischen Familie in der Kameradschafts- und Rechtsrock-Hochburg Ostholstein als Einziger im größeren Stil für die NPD Politik machte, versuchte der Landesverband den Vorfall zu verheimlichen – vermutlich um Tietz nach einer kurzen Pause wieder aktivieren zu können. Aufgrund der Nicht-Erwähnung des Namens von Tietz in den berichtenden Zeitungen schien dieser Plan auch aufzugehen, bis La Quimera im Januar den Vorfall Tietz namentlich zuordnete und ihn so in der neonazistischen Szene blamierte . Als mutmaßliche Reaktion erstellten Neonazis die genannten Falschmeldungen und Jens Lütke schrieb den erwähnten Artikel, indem er die Information zu Tietz in eine Reihe mit den fragwürdigen Indymedia-Artikeln stellte und so versuchte, seine Führungsfigur in Ostholstein zu rehabilitieren.

Kritisch zu hinterfragen gilt der Umgang antifaschistischer Strukturen mit den Falschmeldungen. Die genannten Artikel wurden leider vorschnell von einigen Zusammenhängen aufgegriffen und zu Gegenaktivitäten anlässlich der angeblichen Aufmärsche mobilisiert. Auch wurden von einigen antifaschistischen Gruppierungen darüber hinaus ohne neonazistische “Beihilfe” Meldungen fragwürdigen Inhalts heraus gegeben.

Wir werten es als grundsätzlich positiv, wenn Menschen sich selbst organisieren und auf Plattformen wie Indymedia eigenverantwortlich Aufklärungsarbeit über rassistische und neonazistische Umtriebe leisten. Auch lehnen wir es ab, dass Recherche-Arbeit von der Mitgliedschaft in einer Recherche-Gruppe, einem Redaktionskollektiv o.ä. abhängig ist.
Trotzdem könnten mit ein paar einfachen Gegenstrategien die neonazistischen Störmanöver erfolgloser sein. Wenn die bekannten Recherche-Zusammenhänge etwas veröffentlichen, so geschieht dies zumeist neben Indymedia auch auf deren eigenen Blogs. Auch bei einer der mutmaßlichen Neonazi-Falschmeldungen wurde u.a. La Quimera als Urheberin genannt. Wir würden aber, wie andere Gruppen meist auch, den Artikel auf unserem Blog erwähnen. Somit hätte ein Klick auf die angefügten Links Klarheit über den Wahrheitsgehalt der Meldung gegeben.
Außerdem plädieren wir für die Nennung von Quellen, es sei denn, das ist aus Quellenschutzgründen absolut nicht möglich. Auch sind Rücktritte von Führungskadern oder Aufmärsche meist so schnell in der Neonazi-Szene bekannt, dass auch andere antifaschistische Recherche-Gruppen davon erfahren. Im Zweifel bietet es sich an, bekannte Gruppen um eine Einschätzung bitten, bevor der Inhalt eines anonymen Statements als Tatsache angesehen und weiterverbreitet wird.

Allerdings lebt journalistische wie antifaschistische Arbeit auch davon, Gerüchten nachzugehen, die auch immer die Möglichkeit der Fehlerhaftigkeit beinhalten. Trotzdem sollte es durch eingehende Prüfung der Informationen, insbesondere, wenn zu Aktionen mobilisiert wird, den Neonazis nicht zu leicht gemacht werden, gezielt Falschmeldungen zu verbreiten.


ganz rechts: Artikel in der NPD-Parteizeitung “SH-Stimme”, Frühling 2013, Autor: Jens Lütke
Rest: Falschinformationen auf de.indymedia.org (Klick zum Vergrößern)

Kommunalwahl 2013: Drei Sitze für Neonazis

Trotz des schwachen Wahlkampfes im gesamten Bundesland sitzen nach der Kommunalwahl am 26.5. drei Neonazis für drei verschiedene Wahlorganisationen in Schleswig-Holsteiner Rathäusern.

Herrmann Gutsche behält trotz sinkender Wähler_innenzahl seinen Sitz im Kieler Rathaus, er war mit der NPD-Tarnliste “Wahlalternative Kieler Bürger” (WAKB) angetreten. Kay Oelke, der erst kurz vor der Wahl aus der NPD ausgetreten war, erreichte mit seiner Splittergruppe “Rechtsstaatliche Liga” im Herzogtum-Lauenburg mit 1,6% der Stimmen das nötige Ergebnis für einen Ratssitz, ebenso wie Mark Proch, der in Neumünster für die NPD angetreten war.

Die Wahlbeteiligung war insgesamt niedrig.

Auswertung der Autonomen Antifa Koordination Kiel
Parteien und Wahllisten: Betrachtung vor der Wahl (quimera)

Kommunalwahl in Schleswig-Holstein: Zersetzungsprozesse im Rechts-außen-Lager


v.l.: Udo Pastörs, Jens Lütke, Ingo Stawitz (NPD)

Am 26.5., vier Monate vor der Bundestagswahl, finden in Schleswig-Holstein die Kommunalwahlen statt. Während der Zustand der NPD immer desolater wird, stehen diverse rechte Wahllisten und “Wählervereinigungen” schon in den Startlöchern, teilweise mit ehemaligen NPD-Kadern an der Spitze. Aufgrund der fehlenden 5%-Hürde bei Wahlen auf kommunaler Ebene spekulieren viele kleinere Organisationen auf genug „Protestwähler_innen“, um die nötigen Stimmen für ein Mandat zu erhalten. Wir möchten einen tieferen Blick auf das Rechtsaußen-Parteienspektrum werfen und einige Verstrickungen näher beleuchten.


Hermann Gutsche

In Kiel soll mit dem nichtssagenden Namen „Wahlalternative Kieler Bürger“ (WaKB) eine Tarnliste der NPD Stimmen einsammeln. An der Spitze steht Hermann Gutsche, Kreisvorsitzender der NPD Kiel-Plön und Kieler Ratsherr. Finanziert wird die Wahlliste aus dem Topf des NPD-Landesvorstandes und auch öffentlich wird keinen Hehl daraus gemacht, dass es sich hierbei keinesfalls um eine unabhängige Wahlliste handelt. So sprach der Pressesprecher der NPD, Jörn Lemke, von einem „Bündnis zwischen der NPD und freien Kräften aus Kiel“, und auch inhaltlich äußert sich die WaKB zu klassischen Neonazi-Themen wie „Überfremdung“ und „Systemparteien“.

Hermann Gutsche ist vorgeblich kein Freund des militanten Straßenkampfes. In Kiel, wo sich militante freie Kameradschaftsszene und NPD-Mitglieder in weiten Teilen überschneiden, gewinnt er mit seiner bürgerlich-konservativen Parteiarbeit kaum Sympathien, und auch der durch ihn mitbedingte Parteiaustritt Roland Fischers kostete ihn die Unterstüzung der von Fischer geführten „Freien Nationalisten Kiel“. Um die Wahllisten trotzdem zu füllen, bediente sich die NPD im Umfeld des Fußballclubs „Bollstein Kiel“, dem die Stadt im letzten Jahr nach Protesten wegen Verstrickungen ins Neonazi-Milieu die Organisation eines Turniers untersagte.


Mario Hermann

23 der 25 zur Wahl stehenden Personen kommen, wie auch “Bollstein”, aus dem Stadtteil Mettenhof, 15 davon wohnen sogar im gleichen Haus am Kurt-Schumacher-Platz, wo auch Mario Hermann, militanter Neonazi und mutmaßlicher Drahtzieher des Clubs, gemeldet ist.

Die NPD selbst tritt nur in Pinneberg und Neumünster an, in beiden Städten allerdings flächendeckend, sowie im kleinen Ort Uetersen, wo der NPD-Landesvorsitzende Ingo Stawitz wohnt und aus dem immerhin 12 weitere Kandidaten für den Kreis Pinneberg stammen.
Neumünster sticht einmal mehr als brauner Fleck hervor. Alle 22 Wahlkreise konnten besetzt werden. Hier tut sich in letzter Zeit vor allem Mark Proch hervor, der mit seiner Kampagne „gegen Kinderschänder“ versucht, eine Brücke zwischen Neonazis und Bürgern der so genannten „Mitte“ zu schlagen. Seine Frau Sonja Proch tritt ebenfalls zur Wahl an. Interessant ist, dass sich auch der Wirt der Kneipe „Titanic“ hat aufstellen lassen, der bisher öffentlich noch behauptet hatte, sein als Neonazi-Treffpunkt bekanntes Lokal hätte keinen politischen Hintergrund.


Kay Oelke

Anders als die WaKB ist die im Herzogtum Lauenburg antretende „Rechtsstaatliche Liga“ (RL) keine Tarnliste der NPD, sondern Teil eines Abspaltungsprozesses. Hauptverantwortlicher ist der ehemalige NPD-Kreisvorsitzende Kay Oelke, der zunächst mit einem inhaltlichen Schlingerkurs beiden Parteien gerecht werden wollte, sich aufgrund des Druckes der RL nun aber gegen die NPD-Mitgliedschaft entschied.
Auch die „Rechtsstaatliche Liga“ bedient offen völkische und rassistische Themen, wirft mit Begriffen wie „Heimat“ und „Volk“ um sich, bekennt sich aber nicht offen zum Neonazismus. Einige Mitglieder zeigten sich daher schockiert, als sie von Oelkes NPD-Mitgliedschaft erfuhren und forderten seinen Austritt. Oelke, der früher in der „Schill-Partei“ aktiv war, kehrte daraufhin zu seinen inhaltlichen Wurzeln zurück und entschied sich für die RL. In der NPD hinterlässt er damit eine weitere große Lücke.

Das rechtspopulistische Parteienspektrum durchlebte im letzten Jahr mehrere Spaltungs- und Neugründungsprozesse, keine dieser Gruppierungen schaffte es jedoch, zur Wahl anzutreten.



Mark und Sonja Proch

Stattdessen fällt eine weitere Kleinstpartei ins Auge: „Wir sind das Volk“ (WSDV) tritt in zwei Wahlkreisen in Bad Segeberg sowie in Norderstedt an. Mediale Aufmerksamkeit erregte die Partei im Jahre 2011, als sie sich die Markenrechte für ihren Namen, einen aus DDR-Zeiten bekannten Slogan, sicherte. Mitglied könne werden, wer einen „Bezug zum Deutschen Reich“ habe. Ähnlich der Bewegung der „Reichsbürger“ erkennt WSDV die Souveränität der BRD nicht an und geht von einem Fortbestehen des Deutschen Reiches unter alliierter Besatzung aus. Im Gegensatz zu den anderen Parteien versteckt WSDV ihren Rassismus nicht hinter Phrasen wie „Asylmissbrauch“ oder „kriminelle Ausländer“ sondern äußert offene „Blut und Boden“-Ideologie. Wie bei der „Reichsbewegung“ handelt es sich um eine Vereinigung ewiggestriger NS-Ideolog_innen mit stark esoterisch und verschwörungstheoretisch geprägtem Weltbild. Obwohl der Deutsche Staat nicht anerkannt wird, lassen sich die Theoretiker_innen von WSDV zur Kommunalwahl aufstellen. Nur der Stimmenfang wird mit so einer Programmatik schwer werden.

Die Konflikte und Abspaltungsprozesse innerhalb des rechten Parteienspektrums sind noch nicht beendet. Ob es im Selbstfindungsprozess oder der geringen Mitgliederzahl aller Gruppen begründet ist, aber von einem Wahlkampf ist in Schleswig-Holstein bisher nicht viel zu merken. Ob die Taktik der NPD, sich hinter einer Tarnliste zu verstecken, oder das Tänzeln auf der Schwelle zum offenen Neonazismus der „Rechtsstaatlichen Liga“ zu einem Wahlerfolg führen wird, bleibt zwar abzuwarten, darf aber angezweifelt werden. Hinter „Wir sind das Volk“ verbirgt sich zwar eine offen nationalsozialistische Ideologie, eine mitglieder- und wähler_innenstarke Vereinigung wird sich daraus aber höchstwahrscheinlich nicht entwickeln.
Momentan überwiegen in allen rechten Lagern die Zersetzungsprozesse, sei es auf personeller oder organisatorischer Ebene. Es ist unwahrscheinlich, dass so viele kleine Parteien und “Wählervereinigungen” langfristig nebeneinander existieren, daher werden sich nach der Wahl vermutlich noch einige Verschiebungen ergeben. Im Hinterkopf behalten werden sollte vor allem die Partei „Die Rechte“, die sich gerade noch formiert, aber stetig wächst und bei zukünftigen Wahlen eine entscheidende Rolle spielen könnte.


Spieler von “Bollstein Kiel” feiern beim gemeinsamen Spanferkelessen

Demo gegen “PLS” in Kiel und NPD-Infostand in Neumünster

Am 04.05.2013 versammelten sich über 600 Antifaschist_innen in Kiel, um gegen den Neonazi-Laden “PLS-Werkzeuge” der Betreiber Alexander Hardt, Lars Bergeest und (mutmaßlich) Peter Borchert zu demonstrieren. Diese Demonstration ist Teil verschiedener Initiativen gegen den Laden, seitdem La Quimera die neonazistischen Hintergründe des Geschäfts im Januar veröffentlichte . Wir freuen uns über die erfolgreiche Demonstration und wünschen allen Aktivist_innen auch weiterhin viel Elan!

Ausführlicher Bericht über den Aktions-Samstag in Kiel-Gaarden auf der Website der Autonomen Antifa Koordination Kiel , weitere Berichte auf radio tele nord und KN Online .

Die Neonazi-Szene zeigte keine öffentliche Solidarität mit der Betreibern von “PLS-Werkzeuge”. Das Geschäft war geschlossen und verbarrikadiert und Gruppen von Neonazis wurden nicht gesichtet. Die NPD mobilisierte zeitgleich zu ihrem Wahlkampfauftakt nach Neumünster, wo u.a. der Landesvorsitzende Ingo Stawitz, sein Stellvertreter Jens Lütke, der Kreisverbandsvorsitzende der NPD Segeberg-Neumünster, Daniel Nordhorn, und Mark Proch, Spitzenkandidat der NPD in Neumünster, anwesend waren. Unterstützt wurden sie von NPD-Mitgliedern und parteinahen “Freien Kräften”.