Kommunalwahl in Schleswig-Holstein: Zersetzungsprozesse im Rechts-außen-Lager


v.l.: Udo Pastörs, Jens Lütke, Ingo Stawitz (NPD)

Am 26.5., vier Monate vor der Bundestagswahl, finden in Schleswig-Holstein die Kommunalwahlen statt. Während der Zustand der NPD immer desolater wird, stehen diverse rechte Wahllisten und “Wählervereinigungen” schon in den Startlöchern, teilweise mit ehemaligen NPD-Kadern an der Spitze. Aufgrund der fehlenden 5%-Hürde bei Wahlen auf kommunaler Ebene spekulieren viele kleinere Organisationen auf genug „Protestwähler_innen“, um die nötigen Stimmen für ein Mandat zu erhalten. Wir möchten einen tieferen Blick auf das Rechtsaußen-Parteienspektrum werfen und einige Verstrickungen näher beleuchten.


Hermann Gutsche

In Kiel soll mit dem nichtssagenden Namen „Wahlalternative Kieler Bürger“ (WaKB) eine Tarnliste der NPD Stimmen einsammeln. An der Spitze steht Hermann Gutsche, Kreisvorsitzender der NPD Kiel-Plön und Kieler Ratsherr. Finanziert wird die Wahlliste aus dem Topf des NPD-Landesvorstandes und auch öffentlich wird keinen Hehl daraus gemacht, dass es sich hierbei keinesfalls um eine unabhängige Wahlliste handelt. So sprach der Pressesprecher der NPD, Jörn Lemke, von einem „Bündnis zwischen der NPD und freien Kräften aus Kiel“, und auch inhaltlich äußert sich die WaKB zu klassischen Neonazi-Themen wie „Überfremdung“ und „Systemparteien“.

Hermann Gutsche ist vorgeblich kein Freund des militanten Straßenkampfes. In Kiel, wo sich militante freie Kameradschaftsszene und NPD-Mitglieder in weiten Teilen überschneiden, gewinnt er mit seiner bürgerlich-konservativen Parteiarbeit kaum Sympathien, und auch der durch ihn mitbedingte Parteiaustritt Roland Fischers kostete ihn die Unterstüzung der von Fischer geführten „Freien Nationalisten Kiel“. Um die Wahllisten trotzdem zu füllen, bediente sich die NPD im Umfeld des Fußballclubs „Bollstein Kiel“, dem die Stadt im letzten Jahr nach Protesten wegen Verstrickungen ins Neonazi-Milieu die Organisation eines Turniers untersagte.


Mario Hermann

23 der 25 zur Wahl stehenden Personen kommen, wie auch “Bollstein”, aus dem Stadtteil Mettenhof, 15 davon wohnen sogar im gleichen Haus am Kurt-Schumacher-Platz, wo auch Mario Hermann, militanter Neonazi und mutmaßlicher Drahtzieher des Clubs, gemeldet ist.

Die NPD selbst tritt nur in Pinneberg und Neumünster an, in beiden Städten allerdings flächendeckend, sowie im kleinen Ort Uetersen, wo der NPD-Landesvorsitzende Ingo Stawitz wohnt und aus dem immerhin 12 weitere Kandidaten für den Kreis Pinneberg stammen.
Neumünster sticht einmal mehr als brauner Fleck hervor. Alle 22 Wahlkreise konnten besetzt werden. Hier tut sich in letzter Zeit vor allem Mark Proch hervor, der mit seiner Kampagne „gegen Kinderschänder“ versucht, eine Brücke zwischen Neonazis und Bürgern der so genannten „Mitte“ zu schlagen. Seine Frau Sonja Proch tritt ebenfalls zur Wahl an. Interessant ist, dass sich auch der Wirt der Kneipe „Titanic“ hat aufstellen lassen, der bisher öffentlich noch behauptet hatte, sein als Neonazi-Treffpunkt bekanntes Lokal hätte keinen politischen Hintergrund.


Kay Oelke

Anders als die WaKB ist die im Herzogtum Lauenburg antretende „Rechtsstaatliche Liga“ (RL) keine Tarnliste der NPD, sondern Teil eines Abspaltungsprozesses. Hauptverantwortlicher ist der ehemalige NPD-Kreisvorsitzende Kay Oelke, der zunächst mit einem inhaltlichen Schlingerkurs beiden Parteien gerecht werden wollte, sich aufgrund des Druckes der RL nun aber gegen die NPD-Mitgliedschaft entschied.
Auch die „Rechtsstaatliche Liga“ bedient offen völkische und rassistische Themen, wirft mit Begriffen wie „Heimat“ und „Volk“ um sich, bekennt sich aber nicht offen zum Neonazismus. Einige Mitglieder zeigten sich daher schockiert, als sie von Oelkes NPD-Mitgliedschaft erfuhren und forderten seinen Austritt. Oelke, der früher in der „Schill-Partei“ aktiv war, kehrte daraufhin zu seinen inhaltlichen Wurzeln zurück und entschied sich für die RL. In der NPD hinterlässt er damit eine weitere große Lücke.

Das rechtspopulistische Parteienspektrum durchlebte im letzten Jahr mehrere Spaltungs- und Neugründungsprozesse, keine dieser Gruppierungen schaffte es jedoch, zur Wahl anzutreten.



Mark und Sonja Proch

Stattdessen fällt eine weitere Kleinstpartei ins Auge: „Wir sind das Volk“ (WSDV) tritt in zwei Wahlkreisen in Bad Segeberg sowie in Norderstedt an. Mediale Aufmerksamkeit erregte die Partei im Jahre 2011, als sie sich die Markenrechte für ihren Namen, einen aus DDR-Zeiten bekannten Slogan, sicherte. Mitglied könne werden, wer einen „Bezug zum Deutschen Reich“ habe. Ähnlich der Bewegung der „Reichsbürger“ erkennt WSDV die Souveränität der BRD nicht an und geht von einem Fortbestehen des Deutschen Reiches unter alliierter Besatzung aus. Im Gegensatz zu den anderen Parteien versteckt WSDV ihren Rassismus nicht hinter Phrasen wie „Asylmissbrauch“ oder „kriminelle Ausländer“ sondern äußert offene „Blut und Boden“-Ideologie. Wie bei der „Reichsbewegung“ handelt es sich um eine Vereinigung ewiggestriger NS-Ideolog_innen mit stark esoterisch und verschwörungstheoretisch geprägtem Weltbild. Obwohl der Deutsche Staat nicht anerkannt wird, lassen sich die Theoretiker_innen von WSDV zur Kommunalwahl aufstellen. Nur der Stimmenfang wird mit so einer Programmatik schwer werden.

Die Konflikte und Abspaltungsprozesse innerhalb des rechten Parteienspektrums sind noch nicht beendet. Ob es im Selbstfindungsprozess oder der geringen Mitgliederzahl aller Gruppen begründet ist, aber von einem Wahlkampf ist in Schleswig-Holstein bisher nicht viel zu merken. Ob die Taktik der NPD, sich hinter einer Tarnliste zu verstecken, oder das Tänzeln auf der Schwelle zum offenen Neonazismus der „Rechtsstaatlichen Liga“ zu einem Wahlerfolg führen wird, bleibt zwar abzuwarten, darf aber angezweifelt werden. Hinter „Wir sind das Volk“ verbirgt sich zwar eine offen nationalsozialistische Ideologie, eine mitglieder- und wähler_innenstarke Vereinigung wird sich daraus aber höchstwahrscheinlich nicht entwickeln.
Momentan überwiegen in allen rechten Lagern die Zersetzungsprozesse, sei es auf personeller oder organisatorischer Ebene. Es ist unwahrscheinlich, dass so viele kleine Parteien und “Wählervereinigungen” langfristig nebeneinander existieren, daher werden sich nach der Wahl vermutlich noch einige Verschiebungen ergeben. Im Hinterkopf behalten werden sollte vor allem die Partei „Die Rechte“, die sich gerade noch formiert, aber stetig wächst und bei zukünftigen Wahlen eine entscheidende Rolle spielen könnte.


Spieler von “Bollstein Kiel” feiern beim gemeinsamen Spanferkelessen

One response to “Kommunalwahl in Schleswig-Holstein: Zersetzungsprozesse im Rechts-außen-Lager”

  1. […] nicht gelang (wir berichteten schon vor der Wahl über den Wahlkampf:  http://quimera.noblogs.org/2013/kommunalwahl-in-schleswig-holstein-zersetzungsprozesse-im-rechtsause…). Selbstredend werden Schuldige im Nachgang des Wahlkampfes wahlweise bei den […]