Artikel beleuchtet rechte Szene aus Neumünster


Braune Subkultur in Neumünster

Antifaschist_innen haben einen Artikel veröffentlicht, indem sie ausführlich den aktuellen Zustand der lokalen Neonaziszene in Neumünster beleuchten. Neben nur lokal aktiven Gruppierungen wird auch die Schliessung des “Club 88” und der Zustand der NPD thematisiert.

“Club 88” ist am Ende


Neonazis vor dem “Club 88” am 1.Mai 2008. Ganz rechts Michael Denz (NPD Segeberg-Neumünster), mittig Sebastian Sommer (inzwischen aus der Szene ausgestiegen)

Was antifaschistische Aktivist_innen schon länger vermuten, hat sich nun bewahrheitet: Der “Club 88” ist geschlossen. 18 Jahre haben sich in der unscheinbaren Lokalität in Neumünster-Gadeland Neonazis organisiert. Zuletzt hatte der “Club 88” nur noch selten geöffnet und lebte von seinem symbolischen Wert für die Szene. Zu Ende Januar haben Christiane Dolscheid und Frank Rieckmann den Betrieb entgültig geschlossen.

Über die Schliessung berichteten auch die Autonome Antifa-Koordination Kiel , der Holsteiner Courier und ENDSTATION RECHTS. .

Hintergründe zum “Club 88”: An die Substanz! (dort auch Hintergründe zu der Neonazi-Kneipe “Titanic”, der jetzt eine noch größere Bedeutung zukommen dürfte), Club 88 schliessen! und Wikipedia .

Die NPD-Kreisverbände in Schleswig-Holstein


NPD-Veranstaltung in Lübtheen (Mecklenburg-Vorpommern) März 2014: V.l. Simon Haltenhof (Neu-Kreisvorsitzender Lauenburg-Stormarn), Udo Pastörs (Parteivorsitzender), Dave Trick (NPD Ostprignitz/Neuruppin), Andreas Theißen (Kreisvorsitzender Westmecklenburg), Stefan Köster (NPD-Landesvorsitzender Mecklenburg-Vorpommern) und Manfred Börm (Rechtsterrorist und NPD-Funktionär aus Niedersachsen)

Aufbauend auf einem unserer Leitartikel über den Zustand der NPD vor etwa einem Jahr, wollen wir einige aktuelle Entwicklungen der Kreisverbände überblicksartig darstellen. Manches mag aufmerksamen Leser_innen einschlägiger Publikationen vielleicht schon bekannt sein, anderes dagegen wurde bisher noch nicht veröffentlicht. Wir werden versuchen die Entwicklungen kurz und übersichtlich, nach den einzelnen Kreisverbänden gegliedert, zusammenzufassen.
Generell steckt NPD in Schleswig-Holstein in einer Krise, die sich immer weiter verschärft. Der jährliche “Trauermarsch” durch Lübeck wurde dieses Jahr schon das zweite Mal in Folge abgesagt und öffentlichkeitswirksame Auftritte gibt es aktuell nur noch vereinzelt im Gebiet des Kreisverbands Segeberg-Neumünster. Allgemein sind offene Auftritte von mehr als fünf Neonazis in Schleswig-Holstein höchst selten. Doch auch neonazistische Subkultur leidet. Bedingt durch persönliche Streitigkeiten und antifaschistische Aufklärungsarbeit, herrscht in weiten Teilen der Szene Verunsicherung und Misstrauen. Die andauernde Schwäche der etablierten neonazistischen Organisationen hält an und mehr und mehr Kameradschaften im Umfeld der NPD zerfallen. Ob die NPD als gemeinsames Label überhaupt noch das Potential besitzt, den rechten Personenkreis zu vereinen, darf bezweifelt werden – gerade in Anbetracht der Machtkämpfe und Schlammschlachten innerhalb der Bundespartei. Allerdings mangelt es derzeit an Alternativen. “Die Rechte” mit ihrer Kieler Funktionärin Ingeborg Lobocki konnte sich trotz vielfacher Ankündigungen und Besuchen vom Bundesvorsitzenden Christian Worch in Kiel nicht etablieren. Teile der Szene, insbesondere in Nordfriesland, sympathisieren mit der neuen Neonazi-Partei “Der Dritte Weg”, einem parteipolitischen Flügel der süddeutschen Kameradschaftsszene. Doch auch diese Partei hat bisher keine Basis in Schleswig-Holstein. Lediglich die Organisationsform der “Bruderschaften” scheint einen zumindest moderaten Zuwachs zu erfahren. Damit dürfte sich die Szene allerdings noch weiter von öffentlicher Politik und damit auch der NPD entfernen.

Segeberg-Neumünster
Der Kreisverband Segeberg-Neumünster ist auch aktuell der Aktivste in Schleswig-Holstein. Doch hat auch dessen Aktionismus im Vergleich zu den letzten beiden Jahren stark nachgelassen. Öffentliche Auftritte finden vereinzelt bei Ratssitzungen des Stadtrats Neumünster über den NPD-Neu-Ratsherrn Mark Proch oder bei Info-Tischen meist in kleineren Ortschaften statt. Doch auch die personelle Basis des Kreisverbands bröckelt. Einigen langjährigen Aktivist_innen scheint der gesellschaftliche Gegenwind gegen ihre neonazistischen Umtriebe zunehmend die Motivation zu rauben, für die Partei einzutreten und andere Mitglieder verlieren sich in persönlichen Streitigkeiten. So vermeiden mit Michael Denz und Arne Voss zwei relativ engagierte Mitglieder zunehmend die Öffentlichkeit. Während sie für den Kreisvorsitzenden Daniel Nordhorn lange Zeit zum Stammpersonal bei Kleinstkundgebungen gehörten, nehmen sie aktuell zwar weiter an Aktivitäten der rechten Szene teil, versuchen das aber tunlichst vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Öffentlichkeitsarbeit lässt sich so nicht gestalten. Auch die inzwischen in Seth wohnhafte ehemalige Kieler Neonazistin Katharina Schubert verlies im letzten Jahr ihren Posten als Schatzmeisterin des Kreisverbands, nachdem sie dieses Amt zuvor schon jahrelang für den Kreisverband Kiel-Plön bekleidet hatte. Als Ersatz sprang Mark Prochs Frau Sonja Proch ein. Doch da die Beziehung der Prochs zerrüttet ist, kommt es wie so oft: Persönliche Fehden werden über Politik gestellt und Sonja Proch verlässt mit ihrem Mann auch den Posten der Schatzmeisterin der NPD Segeberg-Neumünster. Da noch niemand für die Nachfolge in Sicht ist, schweigt sich die NPD zu diesen Vorkommnissen bisher aus.
Doch der Posten der Schatzmeisterin ist nicht die einzige Baustelle. So scheinen auch Konflikte zwischen verschiedenen Flügeln der Neumünsteraner Neonaziszene die Partei zunehmend zu schwächen. Insbesondere die Betreiber der rechten Kneipe “Titanic”, Horst Micheel und Pascal Micheel, bis vor kurzem noch wichtige Aktivposten der Partei, scheinen mit den Führungskadern um Mark Proch und Daniel Nordhorn im Konflikt zu liegen. Neben persönlichen Vorwürfen dürfte die Gemengelage eher profan sein: Während die Micheels gute Kontakte zu den “Bandidos” unterhalten, sympathisieren die Führungsebene des Kreisverbands und deren Anhänger_innen mit den verfeindeten “Hells Angels”. Insbesondere Mark Proch wird seine Vorliebe für die “Hells Angels” in Teilen der Szene übel genommen. Auch holen Daniel Nordhorn zunehmend seine Eskapaden ein. Sein Substanzkosum bringt Teile der Szene gegen ihn auf , nach unserer Veröffentlichung seiner Mitgliedschaft im “Schützenverein Marianne” in Heikendorf hat er seinen Posten im Vereinsvorstand verloren und jüngst wurde er auch noch verurteilt . Außerdem griffen Proch, Nordhorn und weitere Neonazis wie Alexander Meeder, Nordhorns Rechte Hand bei den Info-Tischen, im November 2013 eine Gruppe Fotograf_innen an . Trotzdem versucht sich Nordhorn aktuell als aufstrebender Führungskader in Stellung zu bringen: Im Oktober 2013 im Saarland und vor wenigen Wochen in Berlin nahm er an Führungskräfteschulungen der Bundespartei teil.


NPD-Kundgebung in Boostedt bei Neumünster, v.l. Michael Denz, Daniel Nordhorn, Steffen Peter, Rudolf Rosenthal und Alexander Meeder

Lübeck-Ostholstein
Auch der Kreisverband Lübeck-Ostholstein kämpft derzeit mit Problemen. Insbesondere in Ostholstein, eigentlich eine Region mit relativ aktiver neonazistischer Vernetzung im Rechtsrock und dem “NSU” , hat die Partei zuletzt ihre aktionistische Basis eingebüßt. Bedingt durch die Querelen um Marcus Tietz , dem Umzug von Miriam Haack nach Bayern und der Orientierung von NPD-Kandidaten wie Kai Sager in Richtung Rechtsrock oder Fabian Wittig zu “Identitas Nord” ist die NPD im Kreisgebiet von Ostholstein kaum noch wahrnehmbar.
Etwas anders gestaltet sich die Situation in Lübeck, auch wenn die Partei hier ebenfalls schwächelt. Mit Jörn Lemke wohnt einer der aktivsten Kader der schleswig-holsteinischen NPD in der Stadt. Durch seine Nähe zu der Kameradschaftsszene in Lübeck und Stormarn, gelingt es ihm immer wieder, Akzente zu setzen, wenn auch nachhaltiger Erfolg meist ausbleibt. So stammt die Idee der “Braunen Hilfe” aus der Lübecker Neonaziszene und es waren an dem Angriff in Neumünster zum “Heldengedenken” maßgeblich Personen aus dem Umfeld der Lübecker NPD und dem “Aktionsbündnis Lübeck/Stormarn” beteiligt. Doch auch die vermeintlich aktive Szene in Lübeck musste zuletzt herbe Niederlagen einstecken. Der jährliche “Trauermarsch” musste die letzten beiden Jahre abgesagt werden, die maßgeblich von Jörn Lemke betreute NPD-Mitgliederzeitschrift “SH-Stimme” erscheint statt vierteljährig nur noch halbjährig, Kundgebungen finden nicht mehr statt, das Jörn Lemke zugerechnete Portal der Kameradschaftsszene, “Mein SH”, war lange inaktiv und ist aktuell nicht mehr erreichbar, selbst der neonazistische Bloghoster “logr.org” ist nicht mehr bereit, dem “Aktionsbündnis Lübeck/Stormarn” Webspace zur Verfügung zu stellen. Auch mehrt sich in der Szene der Unmut über den “Solifond” , dessen Gelder von dem Neonazi Jörn Gronemann veruntreut wurden. Als Konsequenz werden dem Projekt “Braune Hilfe” nur geringe Chancen eingeräumt, da sich keine Neonazis mehr finden, die den Lübecker Kadern ihr Geld anvertrauen möchten. Dennoch scheint es der Lübecker NPD zu gelingen, zumindest vorerst zu verhindern, dass aktive Neonazis sich gänzlich von der Partei abwenden.

Lauenburg-Stormarn
Der Kreisverband Lauenburg-Stormarn steckte im Jahr 2013 in einer schweren Krise. Nach dem Abgang vom Kreisvorsitzenden Kay Oelke brach der Kreisverband weitgehend zusammen und wurde vom Landesvorstand kommisarisch verwaltet. Vor allem Jörn Lemke und der Landesvorsitzende Ingo Stawitz versuchten, teilweise mit Aufbauhilfe aus dem benachbarten Mecklenburg-Vorpommern, neue Strukturen zu schaffen. Dem Kreisverband, der seinen organisatorischen Schwerpunkt traditionell im Kreis Herzogtum Lauenburg hat, während sich die Neonazis aus Stormarn verstärkt Richtung Lübeck oder Hamburg orientieren, gelang es erst im März 2014 einen neuen Vorstand zu wählen. Den Vorsitz übernahm Simon Haltenhof, sein Stellvertreter ist Martin Vorwerk. Ebenfalls im Vorstand ist der langjährige Neonazi und verurteilte Brandstifter an einer Flüchtlingsunterkunft Heinrich Förster. Um den Kreisverband zu reaktivieren, hat die NPD in Lauenburg die ohnehin große Nähe zu der Kameradschaftsszene weiter ausgebaut. Zuletzt fanden mehrere klandestin organisierte Aktionen zum “Heldengedenken” an deutsche NS-Verbrecher_innen statt. Aktuell hetzt der Kreisverband gegen ihren ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden Sebastian Sommer, der über die Webseite der Ausstiegsorganisation Exit bekannt gab, aus der rechten Szene ausgestiegen zu sein .

Kiel/Plön/Rendsburg-Eckernförde
Während die NPD im Kreisgebiet Rendsburg-Eckernförde nicht handlungsfähig ist, liegt ihre organisatorische Basis in Kiel und im Kreis Plön. Allerdings hat sie hier in den letzten Jahren einen massiven Niedergang zu verzeichnen. Der langjährige Neonazi Roland Fischer wandte nach internen Machtkämpfen der Partei den Rücken zu und die aktuellen Führungsfiguren des Kreisverbands, Hermann Gutsche, Jens Lütke und Björn Schubert, werden jeweils von einem Teil der schleswig-holsteinischen Neonazis angefeindet. Björn Schubert gilt schlicht als inkompetent und unzuverlässig und Jens Lütke hat als stellvertretender Landesvorsitzender und Mitarbeiter des NPD-Unterstützers Dietmar Munier zwar eine wichtige organisatorische Funktion, wird aber von Teilen der Szene, aufgrund seiner Behinderung und als “Frauenschläger”, angefeindet. Der NPD-Ratsherr von Kiel, Hermann Gutsche, ist weitgehend inaktiv, lässt sich kaum noch bei Veranstaltungen der Neonazis sehen und spielt deshalb im politischen Alltag kaum noch eine Rolle. Seinen Wahlkampf zur Wiederwahl ins Rathaus musste er weitgehend ohne Unterstützung von NPD-Mitgliedern bestreiten. Schließlich verhalf ihm die neonazistische Fussballmannschaft “Bollstein Kiel” doch noch zum Ratssitz .
In der Konsequenz liegt die politische Arbeit im Kreisverband weitgehend am Boden. Vom Kreisverband organisierte Propagandaaktionen, seien es Info-Tische, Flugblattverteilungen oder Kundgebungen, finden nicht mehr statt. Webseite und Emailadresse werden teilweise über viele Monate nicht betreut. Auch zu den “Deutschlandfahrten” des NPD-Bundesvorstands in Kiel 2012 und 2013 kamen jeweils nicht mal eine Handvoll örtlicher Neonazis. Die NPD-nahen “Freien Nationalisten” Kiel verschwanden mit Roland Fischer fast gänzlich von der Bildfläche.
Jüngst verstarb mit Günter Kawlewski ein Wehrmachtsveteran, NPD-Gründungsmitglied, -Funktionär und -Geldgeber aus Kiel.
Trotz der aktuellen Schwäche haben die Neonazis in Kiel und Plön sicherlich eines ihrer größten Potentiale in Schleswig-Holstein. Wahlergebnisse, der Versuch eine JN in Kiel aufzubauen oder die breite neonazistische Infrastruktur zeugen davon. Doch zumindest vorerst ist die NPD aufgrund gesellschaftlichen Drucks und interner Feindschaften nicht in der Lage, auch nur Teile dieses Potentials abzurufen.


NPD-Vorstand Kreisverband Kiel-Plön 2008: V.l. Jens Lütke, Christian Rausch, Hermann Gutsche, Katharina Schubert und Roland Fischer

Nordfriesland/Schleswig-Flensburg
Wenig Veränderungen sind im nördlichsten Kreisverband zu verzeichnen. Aktionen sind selten, oft nur grenzübergreifend mit dänischen Neonazis (wir berichteten ). Die eigene Öffentlichkeitsarbeit beschränkt sich auf das gelegentliche Verteilen von Flyern, meist allein oder in Kleinstgruppen. Insbesondere in Husum und dem nordfriesischen Umland steht der NPD eine zunehmend parteikritische Kameradschafts- und Bruderschaftsszene gegenüber. Während einige Mitglieder dieser Gruppierungen vor wenigen Jahren noch für die NPD bei Wahlen antraten, stehen sie dem relativ alten örtlichen NPD-Kreisverband inzwischen skeptisch gegenüber.

Dithmarschen/Steinburg/Pinneberg
Auch an der Westküste dominieren ältere Spießbürger_innen den Kreisverband. Die Aktivitäten der Mitglieder um den NPD-Landesvorsitzenden Ingo Stawitz und seinem Stellvertreter Kai Otzen ließen jüngst nochmals nach. So sind die Zeiten regelmäßiger Kundgebungen im Hamburger Umland anscheinend vorbei. Insbesondere das Ausscheiden des zwischenzeitlichen Aktivpostens Steffen Peter scheint das Potential des Kreisverbands nochmals geschwächt zu haben. Ähnlich wie Daniel Nordhorn, versucht sich auch Rudolf Rosenthal durch Führungskräfteschulungen der NPD für höhere Aufgaben zu empfehlen. Allerdings scheint daran im Fall von Rosenthal selbst in der NPD niemand zu glauben.
Auch wenn der Kreisverband aktuell auf niedrigem Niveau stagniert, hat er doch traditionell gute Kontakte zur Kameradschaftsszene, besonders im Pinneberger Raum. Durch dieses Mobilisierungspotential sind im Falle einer Wiedererstarkung der organisatorischen Basis öffentliche Auftritte wieder denkbar.

Es wird deutlich, dass die NPD und weite Teile der sie umgebenden Neonazi-Szene derzeit arge Schwierigkeiten haben, ihre Kräfte zu bündeln und zu mobilisieren. Dennoch bergen die rechte Infrastruktur, die internationalen Kontakte und die Basis an unorganisierten Neonazis ein Potential, dass auch zukünftige Aufmerksamkeit erfordert. Dabei haben sich die Organisationen schon oft genug als austauschbar erwiesen. Also wächst mit der Schwäche der NPD auch gleichzeitig die Lücke, die andere neonazistische Strukturen nutzen könnten. Erste Versuche in diese Richtung sind noch zaghaft, allerdings könnte diesem Trend zukünftig eine größere Bedeutung zukommen.

Info-Broschüre über Neumünsters rechte Infrastruktur


Treffen des NPD-Kreisverbands Segeberg-Neumünster am 13.01.2013 in der “Titanic”, links der NPD-Landesvorsitzende Ingo Stawitz, daneben der Kreisvorsitzende Daniel Nordhorn

Das Bündnis gegen Rechts in Neumünster hat eine Broschüre über Neumünsters neonazistische Infrastruktur und deren personelles Umfeld veröffentlicht. Insbesondere werden die “Titanic”, der “Club88” und der “Athletik Klub Ultra” behandelt.

Texte über Neumünsteraner Neonaziszene erschienen


Die NPD-Kandidaten Viktor Krutsch und Daniel Below spielen bei der Arbeit um Geld, Viktors Bruder Wladimir Krutsch (ebenfalls NPD-Kandidat) kommentiert

Auf Indymedia sind zwei Texte über die Neumünsteraner Neonaziszene erschienen. Der eine behandelt das Umfeld des NPD-Ratsherrn Mark Proch, der offensichtlich in einem Logistikunternehmen mit mehreren anderen Neonazis arbeitet. Der andere beleuchtet eine rassistische Propaganda-Aktion des NPD-Kreisverbands Segeberg-Neumünster um Daniel Nordhorn und Mark Proch.

Dietmar Munier übernimmt SS-Veteranenmagazin


Titelblatt “Der Freiwillige” von 1959

Laut einem Artikel des Blick nach Rechts hat die Martensrader Verlagsgruppe von Dietmar Munier das Veteranenmagazin der Waffen-SS, “Der Freiwillige”, übernommen. Der Neuerwerb ist ab sofort in das hauseigene Format “DMZ Zeitgeschichte” integriert.

“Der Freiwillige” ist das Zentralorgan der “Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Soldaten der ehemaligen Waffen-SS” (HIAG). Über den “Freiwilligen” hatten die Kriegsverbrecher Nazi-Deutschlands ab 1956 ein Sprachrohr in der Bundesrepublik, über das sie ihre antidemokratischen, revisionistischen, antisemitischen und revanchistischen Inhalte publizieren konnten. Nach Kiel hatte die Veteranenszene der Waffen-SS schon länger intensive Beziehungen, da in Kiel mit Claus Cordsen der Vorsitzende des “Kameradschaftsverbandes der Soldaten des 1. Panzerkorps der ehemaligen Waffen-SS e.V.” wohnhaft war. Noch im Juni 2013 besuchte Claus Cordsen im ungarischen Dég ein Treffen von SS-Veteranen. Der damalige Chefredakteur des “Freiwilligen”, Patrick Agte, selbst zeitweilig Geschäftsführer des Kameradschafftsverbandes, berichtete ausführlich. Auf das Hintergrundwissen des Kieler Bankdirektors Cordsen wird der “DMZ Zeitgeschichte”-Chefredakteur Guido Kraus in Zukunft verzichten müssen: Cordsen wurde, wie es im Duktus der SS heisst, am 6. Januar diesen Jahres im Alter von 93 Jahren “zur grossen Armee abberufen”.

JN-Landesvorsitzender in Schleswig-Holstein


Svante Kürschner (2.v.r.) zusammen mit NPD-Landespressesprecher Jörn Lemke (rechts)

Nachdem die schleswig-holsteinischen JN-Strukturen nach weitgehender Inaktivität zuletzt mit einigen wenigen Aktionen und Texten auf sich aufmerksam machten, hat die Antifa Kiel Svante Kürschner als Kopf der NPD-Jugend in Schleswig-Holstein benannt. Den Text gibt es hier . Dort wird auch Kürschners Studium der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule in Kiel beleuchtet.

Alexander Hardt zu Haftstrafe verurteilt


Alexander Hardt (mittig am Transparent) 2005 zusammen mit dem “NSU” auf einem Gedenkmarsch für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess im dänischen Kolding

Der Neonazi Alexander Hardt, Betreiber des Versands “Polenschlüssel” in Kiel und Mitglied der “Bandidos” in seiner Heimatstadt Neumünster, wurde wegen verschiedener Vergehen zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt. In der ersten Instanz hatte das Urteil noch auf 13 Monate Haft gelautet.

Mehr Informationen zu dem Prozess gibt es beim SHZ , auf der Website von Angelika Beer (Piratenpartei) und in einer Pressemitteilung der Piratenfraktion im Kieler Landtag.

Über die Hintergründe von Alexander Hardts Geschäft haben wir hier und hier berichtet und seine “Blood and Honour”-Beziehungen ebenfalls in zwei Artikeln (1 , 2 ) dargestellt.

Außerdem richtet sich eine aktuelle antifaschistische Kampagne in Schleswig-Holstein gegen u.a. Hardts Geschäft.

taz berichtet über die “Braune Hilfe”


Lars Hildebrandt (2.v.l.) und Björn Schubert (NPD-Kiel, 1.v.r.) vor einem “Ian Stuart”-Banner in Andenken an den verstorbenen Gründer des “Blood and Honour”-Netzwerks

Nachdem Ende letzten Jahres bekannt wurde, dass schleswig-holsteinische Neonazis den Aufbau einer “Braunen Hilfe” planen, hat taz-Autor Andreas Speit diesem Phänomen einen Artikel gewidmet.

Die “Braune Hilfe” soll Neonazis in ihrem Kampf gegen beispielsweise Migrant_innen, Antifaschist_innen oder Journalist_innen finanziell und juristisch unterstützen. Ideengeberin der Neonazis um Jörn Lemke (Lübeck), Lars Hildebrandt (Itzehoe), Daniel Nordhorn (Laboe) oder Simon Stanek (Bollingstedt) ist die Rote Hilfe linker Gruppierungen. Demnach stellt die Gründung der “Braunen Hilfe” einen Versuch dar, das organisatorische Defizit der neonazistischen Rechten in Schleswig-Holstein zu verringern. Allerdings scheinen schon am Anfang strukturelle Probleme und inhaltliche Differenzen das Projekt zu lähmen.

Update: Inzwischen ist eine ergänzte Version des Artikels auf dem Blick nach Rechts erschienen.

Kieler Neonazis und die Waffen


Daniel Nordhorn am 4. August 2012 auf einem Aufmarsch in Bad Nenndorf

Für die Neonaziszene haben Waffen traditionell eine hohe Bedeutung. Waffen suggerieren Macht, Kampfbereitschaft, Männlichkeit und vieles andere, was Neonazis gern verkörpern wollen. Außerdem lassen sich Waffen als Devotionalien verwenden, um in längst vergangenen Zeiten zu schwelgen. Die Begeisterung für Waffen stellt eine wichtige Scharnierfunktion zwischen Neonazis und militaristischen Kreisen dar. Publikationen wie die “Deutsche Militärzeitschrift” des Neonazi-Verlegers Dietmar Munier aus Martensrade zeugen von den Versuchen, über einen gemeinsamen Waffen- und Männlichkeitskult konservative oder vermeintlich unpolitische Milieus zu agitieren.
Während die generelle Begeisterung für Waffen und deren Besitz viele neonazistische Gruppierungen verbindet, unterscheidet sich die praktische Relevanz im politischen Kampf deutlich. Manche Gruppen scheinen die Waffen vorwiegend als Devotionalien oder als Vorbereitung für apokalyptische Zukunftsvisionen zu betrachten, andere hingegen suchen regelmäßig bewaffnete Konflikte oder finanzieren über Waffenhandel ihr rechtes Treiben. Insbesondere in der selbsternannten “Frontstadt” Kiel gibt es seit Jahrzehnten eine Kontinuität bewaffneter Übergriffe durch Neonazis und vielfältige Verstrickungen in den Waffenhandel um “Bandidos” und “Hells Angels”.

Schon vor über 20 Jahren machte eine Gruppierung um die Neonazis Peter Borchert (späterer Landesvorsitzender der NPD, Führungsmitglied der “AG Kiel”, “Kieler Kameradschaft” und der “Bandidos”) und Mario Herrmann (heute Führungsfigur der rechten Freizeitfussballmannschaft “Bollstein Kiel” ) bewaffnet Jagd auf Menschen, vorwiegend auf jene, denen sie einen Migrationshintergrund zuschrieben. Mit Messern und Gaspistolen verletzten sie einige Personen schwer. Exemplarisch für die Gewaltausbrüche der Gruppe um Peter Borchert seien hier zwei Beispiele aus vielen genannt. Am 12.02.1994 beschimpfte Borchert zusammen mit drei weiteren Neonazis in einem Linienbus in Kiel einen Menschen. Der Grund war die Hautfarbe des Opfers. Der dem Betroffenen des Angriffs zur Hilfe eilende Busfahrer wurde durch Messerstiche schwer verletzt. Sechs Tage später überfielen Borchert, Herrmann und Mario Wöhlk im Stadtteil Mettenhof eine Hochzeitsgesellschaft, weil sich unter den Gästen vermeintlich Migrant_innen befänden. Sie schossen mit Gaspistolen um sich und stachen mit Messern auf am Boden liegende Menschen ein. Drei Hochzeitsgäste wurden bei diesem Angriff z.T. schwer verletzt. Dass keiner der Betroffenen einen Migrationshintergrund hat, ändert nichts an der Motivation der Täter und zeigt, dass auch weitgehend unorganisiert lebensgefährliche Übergriffe begangen wurden.


Peter Borchert (mittig im Vordergrund) im Kreis Schleswig-Holsteiner “Autonomer Nationalisten”, rechts neben ihm Thomas Breit, inzwischen nach Berlin verzogener Neonazi der “AG Kiel” und am Fenster sitzend Björn Schubert, aus dem Umfeld der “AG Kiel” stammender NPD-Aktivist aus Kiel

Im Laufe der Jahre weitete insbesondere Borchert seine Aktivitäten aus und verdiente über Waffenhandel und bewaffnete Überfälle einen Teil seines Lebensunterhalts. Für die neonazistische Kampfgruppe “Combat 18 Pinneberg” besorgte Borchert über einen Mittelsmann bei dem Waffenhersteller Sauer die Utensilien. Bei dem Waffenhandel fungierte vermutlich insbesondere Dirk Zollondz als sein Komplize. Aufgrund von Überfällen, Körperverletzungen, Diebstählen und Waffenhandel verbüßten Borchert, Herrmann (auch wegen Vergewaltigung) und Zollondz zahlreiche Haftstrafen. Aktuell sind Borchert und Zollondz in der JVA Lübeck inhaftiert, wobei Borcherts Entlassung mutmaßlich kurz bevor steht. Trotz ihrer Nähe zur organisierten Kriminalität blieb die neonazistische Szene um Peter Borchert stets ihrem politischen Engagement treu. Anstatt wie in anderen Städten ihre Aktivitäten mit zunehmender Integration in Rockergruppierungen einzuschränken, nutzte Borchert seine politischen Gruppen, um seine kriminelle Machtposition zu festigen und gab seinen politischen Zielsetzungen durch die Kontakte ins Waffenhandel- und Rotlichtmilieu eine neue finanzielle und organisatorische Basis.
Nach dem Aufbau der “AG Kiel” um das Jahr 2008 suchte diese relativ schnell den bewaffneten Konflikt mit den in der Kieler Unterwelt dominanten “Hells Angels”. Im Zuge der Auseinandersetzungen wurde die Führungsfigur der “Hells Angels” in Kiel niedergestochen und auf dessen Haus geschossen. Die Stiche werden Borchert zugerechnet, die Schüsse sollen von Manuel Fiebinger (Mitglied der “AG Neumünster”, eng verknüpft mit der “AG Kiel”) abgegeben worden sein. Mit der selben Waffe wurde im Jahr 2010 auch auf das alternative Kultur- und Wohnprojekt Alte Meierei in Kiel geschossen. Seine aktuelle Haftstrafe verbüßt Peter Borchert aufgrund eines Überfalls auf “Hells Angels”-Unterstützer in Neumünster, bei dem diese schwer verletzt wurden. Parallel folgte eine Welle von Gewalttaten gegen vermeintliche Linke und deren Einrichtungen.


Virginia Krüger

Innerhalb der “AG Kiel” bildete sich auch unter den Jüngeren schnell ein dominanter Flügel, der neben Ambitionen in der neonazistischen Szene verstärkt in Richtung organisierte Kriminalität tendierte. Noch heute sind weite Teile der inzwischen aufgelösten “AG Kiel” eine klassische Gang im Bereich der Kleinkriminalität, während politische Aktionen nur noch sporadisch stattfinden. Insbesondere die Brüder Lars und Filip Jochimsen orientierten sich früh in Richtung “Bandidos” und polarisierten damit in ihrem politischen Umfeld. Gerüchten nach sollen sie sich mit scharfen Waffen ausgerüstet haben. Auch die restlichen Führungsfiguren der jüngeren Generation der “AG Kiel”, namentlich Daniel Zöllner und Virginia Krüger, zeigten eine hohe Affinität zu Waffen und gewaltsamen Übergriffen. Zöllner soll laut Aussage eines Polizeikronzeugen sowohl in die Schüsse auf die Alte Meierei als auch in Waffenverkäufe an den “NSU” verwickelt gewesen sein. Es gilt allerdings zu bedenken, dass die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen umstritten ist. Als die Polizei zu einer Hausdurchsuchung bei Daniel Zöllner erschien, griff dieser die Polizist_innen mit einem Schwert an. Anschließend wurden in allen Räumen der Wohnung Stichwaffen des selben oder ähnlichen Typs gefunden.

Die NPD fällt in Kiel auch aktuell immer wieder durch bewaffnete Verstrickungen auf. So wurde im Zuge der Razzien gegen die “Hells Angels” im Mai 2012 auch die Wohnung von dem NPD-Ratsherr Hermann Gutsche gestürmt. Die Polizei suchte zwei AK47 und zwei Pistolen aus Geschäften mit den “Hells Angels”. Gerüchten aus der rechten Szene zu Folge soll sich Gutsche die Waffen besorgt haben, um gegen Antifaschist_innen vorzugehen. Im November dieses Jahres wurde auf dem Neonaziportal “Altermedia” im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen parteiunabhängigen Neonazis und der NPD das Gerücht veröffentlicht, dass der stellvertretende Landesvorsitzende der NPD, Jens Lütke, auf antifaschistische Aktivist_innen geschossen habe . Lütke ist ein langjähriger Vertrauter der militanten Zirkel um Peter Borchert. In welchem Zusammenhang sich dieser Vorfall ereignet haben soll, bleibt allerdings unklar.

Doch nicht nur in der Illegalität leben Neonazis ihre Begeisterung für Waffen aus. Der “Landesorganisationsleiter” und Kreisvorsitzende (Kreisverband Segeberg-Neumünster) der NPD Daniel Nordhorn schießt ganz legal mit scharfen Waffen im “Schützenverein Marianne von 1971 e.v.” in Heikendorf bei Kiel. Daniel Nordhorn ist als Schriftführer Mitglied des Vereinsvorstands, pflegt den Internetauftritt des Vereins und schießt mit Standard- und Sportpistole.


Daniel Zöllner

Der ursprünglich aus Bremen stammende 44-jährige Nordhorn integrierte sich erst relativ spät in neonazistische Führungskreise. Die ihn auch aktuell immer wieder einholende Unzuverlässigkeit und ein eskapadenreiches Privatleben um seine Milieukonflikte und seinen auch schon in der Neonaziszene für Unmut sorgenden Substanzkonsum standen einem dauerhaften parteipolitischen Engagement zunächst im Weg. In den letzten Jahren gelang es ihm, bedingt vor allem durch die Personalnot der NPD in Schleswig-Holstein, sich mehr und mehr in Stellung zu bringen und 2011 den weitgehend am Boden liegenden Kreisverband Segeberg-Neumünster zu übernehmen, obwohl Nordhorns Wohnort Laboe nicht im Gebiet des Kreisverbands liegt. Nordhorn wurde schnell zu einem der aktivsten Kader Schleswig-Holsteins, polarisiert aber immer noch durch eine unzuverlässige und aufbrausende Art. Seine vielfältigen Drohungen gegen antifaschistische Initiativen auf den Internetauftritten der NPD setze er zum “Heldengedenken” im November 2013 in die Tat um, als er antifaschistische Fotograf_innen mit Pfefferspray angriff . Im Januar 2014 folgte eine Verurteilung wegen Beleidigung im Rahmen einer NPD-Veranstaltung .
Dass der “Schützenverein Marianne” nicht von den neonazistischen Umtrieben Daniel Nordhorns weiß, erscheint nahezu unmöglich. Heikendorf ist eine kleine Ortschaft in unmittelbarer Nachbarschaft zu Nordhorns Wohnort Laboe. Nordhorn selbst schreibt auf der Website seines Kreisverbands, dass alle Bewohner_innen seines Ortes ihn und seine politische Gesinnung kennen. Auch Nachbar_innen Nordhorns sind im selben Schützenverein aktiv. Kein Vereinsmitglied scheint sich daran zu stören, dass die von Nordhorn gepflegte Internetseite des Vereins Besucher_innen im neonazistischen Duktus mit “Herzlich willkommen auf der Weltnetzpräsenz des Schützenvereins Marianne von 1971 e.v.” begrüßt.
Selbst in den Zeiten des “NSU” scheint weder in dem für die Vergabe der Waffenlizenzen zuständigen Ämtern, noch in dem Schützenverein ein Bewusstsein dafür zu herrschen, dass gewaltbereite Neonazifunktionäre nicht (nur) aus sportlichen Gründen an scharfen Waffen trainieren, sondern sich damit auf den bewaffneten Kampf für den Nationalsozialismus vorbereiten. Im Falle Nordhorns ist die Gemengelage denkbar skuril. Die Innenministerkonferenz führt Daniel Nordhorn in ihrer Beweissammlung zum Verbotsantrag der NPD auf, der damit begründet ist, dass die NPD kämpferisch auf einen Umsturz hin arbeiten würde, während eine dem Innenministerium unterstellte Behörde ihm eine Waffenlizenz ausstellt.


Screenshots der Website des “Schützenvereins Marianne” in Heikendorf (Klick zum Vergrößern)