Der “Regin-Verlag” mit Sitz in der Kieler Steinstraße vertreibt bundesweit rechte und neonazistische Literatur. In einschlägigen Werken von Autoren wie Savitri Devi wird Hitler als “Gott unter den Menschen” gehuldigt. Ebenso vertreten sind Autoren mit engem Kontakt zum NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben.
Demonstration gegen Nazi-Laden in Gaarden
Am 04.05.2013 findet im Kieler Stadtteil Gaarden eine Demonstration gegen den Nazi-Laden
“PLS – Werkzeuge” statt. Das auch unter dem rassistischen Synonym “Polenschlüssel” bekannte Geschäft vertreibt u.a. Einbruchswerkzeug und wird von einschlägig auffälligen Neonazis betrieben.
Die geplante Demo reiht sich in eine Kette antifaschistischer Aktionen, die auf unseren Artikel folgend bereits in und um den Vinetaplatz stattfanden.
Demo: Keine Geschäfte mit Neonazis – “PLS-Werkzeuge” dichtmachen!
am 04.05.2013 13.00 Uhr
Alfons – Jonas – Platz/ Kiel- Gaarden
Neonazi-Funktionär betreibt Heilpraxis in der Kieler Innenstadt
Am Europaplatz, mitten an der Kieler Haupteinkaufsstraße liegt das “Heilcentrum Pless”, eine der bekanntesten heilpraktischen Praxen Kiels. Inhaber und Namensgeber Henning Pless ist jedoch nicht nur Heilpraktiker, sondern seit Jahrzehnten auch Neonazi-Funktionär mit bundesweiter Bedeutung sowie Vertrauter von Dietmar Munier und Gerlind Mörig aus Martensrade, Inhaber_innen der “Lesen und Schenken”-Verlagsgruppe und damit Verleger_innen diverser neonazistischer Schriften. Als Vorsitzender des “Schulvereins zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen e.V.”, einem von Dietmar Munier gegründeten Verein geschichts- und gebietsrevisionistischer Ausrichtung, ist Henning Pless u.a. für die jährlichen “Lesertreffen” von Dietmar Muniers Verlagsgruppe verantwortlich
. Diese haben sich zu einem wichtigen Thinktank verschiedener rechter Strömungen entwickelt und werden von diversen Neonazigrößen besucht.
Leben und politisches Wirken

Henning Pless
Der 1967 geborene Henning Pless legte an einer Hamburger Waldorfschule sein Abitur ab und begann danach eine Ausbildung zum Heilpraktiker. Zunächst betrieb er seine Praxis in Lütjenburg und seit 2007 praktiziert er in dem “Heilcentrum Pless” am Kleinen Kuhberg in Kiel. Wohnhaft ist Pless in dem kleinen Dorf Schwartuck im Kreis Plön, nicht weit von Martensrade entfernt.
Antifaschistischen Kreisen bekannt wurde Pless als “1. Bundesführer” der “Heimattreuen Jugend”, der Vorgängerorganisation der inzwischen verbotenen “Heimattreuen Deutschen Jugend”. Die Bewegung entstand 1990 aus einer radikalen Abspaltung vom “Bund Heimattreuer Jugend”, bei der auch Diemar Munier beteiligt gewesen sein soll. Die “Heimattreue Jugend” hatte ihren Sitz in Kiel. Hauptanliegen und -aktionsfeld war völkische Brauchtumspflege und Jugendarbeit für ohnehin schon entsprechend politisierte Kreise. Die öffentlichkeitsscheuen Aktivitäten umfassten das Feiern völkischer Feste und die Organisation von Zeltlagern mit neonazistischem Schulungsangebot. Politisch liegt der Schwerpunkt von Henning Pless im klassisch völkischen Neonazismus. Die “Heimattreue Jugend” hatte nicht nur zufällig mit “HJ” das selbe Kürzel wie die “Hitler Jugend”, sondern orientierte sich eng an den Aktivitäten des Vorbilds.
Als Schnittmenge mit Teilen der “Neuen Rechten” hat sich Gebietsrevisionismus zum Hauptaktionsfeld von Munier und Pless herausgebildet. Mit den Vereinen “Schulverein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen” und “Aktion Deutsches Königsberg” versuchen sie unter dem Deckmantel der “Minderheitenrechte” für vermeintliche “Deutsche” in Osteuropa klassische neonazistische Ideen vom “Lebensraum im Osten” und “Blut und Boden” zu transportieren. Erfolgreich werden so auf dem jährlichen “Lesertreffen” von Muniers Verlag auch personelle Brücken zwischen klassischen Neonazis, Akteuren der “Neuen Rechten” um die Wochenzeitung “Junge Freiheit”, Militarist_innen und klassischen Verschwörungstheoretiker_innen geschlagen. Auf dem maßgeblich von Henning Pless organisierten Treffen am 23.03.2013 in Oberwiesenthal (Sachsen) traten neben klassischen Neonazis wie Frank Rennicke auch diverse Autoren der “Jungen Freiheit” auf, u.a. Walter Rix aus Noer bei Kiel und Franz Uhle-Wettler aus Meckenheim, Rheinland-Pfalz. Walter Rix ist als ehemaliger Dozent der Kieler Universität durch rechte Umtriebe aufgefallen und fungiert schon seit Jahren als Autor und Referent in einschlägigen Kreisen, auch mehrfach im Zusammenhang mit Henning Pless. Die Brüder Franz und Reinhard Uhle-Wettler (letzterer wohnt in Timmendorfer Strand) sind pensionierte Militärs und fallen vor allem aufgrund ihres offenen Antisemitismus auf. Als Autoren schreiben sie unter anderem für Munier, die “Deutsche Burschenschaft” und die “Junge Freiheit”.
Neben der Ausrichtung neonazistischer Treffen ist das zentrale Projekt von Pless’ Verein die “Wiederansiedlung” von “Deutschen” in dem russischen Dorf Jasnaja Poljana.
Praxis und Unternehmen
Ungeachtet seiner tiefen Verstrickung in das neonazistische Milieu bemüht sich Henning Pless um eine “saubere” bürgerliche Fassade. Seine Praxis und sein Unternehmen stehen ganz im Zeichen von pseudo-wissenschaftlichen Gesundheits- und Schönheitsbehandlungen, zum Teil mit skurrilen esoterischen Versatzstücken (Vortragsthema: “Wie der Darm die Seele heilt?”). Auch in sozialen Netzwerken inszeniert sich Pless als biederer Gesundsheits- und Sportfanatiker. Um die alternative Klientel seiner Praxis nicht zu verschrecken “liked” er auf seinem Facebook-Profil öffentlichkeitswirksam antifaschistische Initiativen wie “Netz gegen Nazis”. Links zu neonazistischen Projekten sind auf seinem Profil auch zu finden, allerdings sind diese erst auf den zweiten Blick als solche erkennbar. Dazu gehört z. B. der “Eselpark Nessendorf”, dessen Eigentümer Eckart August ein wichtiger Unterstützer der NPD ist und auf dessen Hof auch der “NSU” einkehrte, das Magazin “Zuerst!” aus dem Hause Munier oder die besagte “Junge Freiheit”.
Mit diesem Image als unbescholtenes Mitglied der Zivilgesellschaft und harmloser Sportliebhaber gelang es Henning Pless sogar, weitreichende Kooperationen mit den Veranstalter_innen großer Lauf-Events in Schleswig-Holstein zu erreichen. Auch tritt Pless als Referent und Seminarleiter in “gesundheitsbewussten” Kreisen auf und zieht damit mediale Aufmerksamkeit auf sich. So widmete die Zeitschrift “Bella” Pless und seinem “Gesundheitsprogramm” einen mehrseitigen Artikel.
Kern der geschäftlichen Aktivitäten von Pless ist dessen “Heilcentrum” in Kiel, darüber hinaus ist er Domaininhaber und Geschäftsführer der “Health und Nutrition Verwaltungs- und Beteiligungs GmbH” mit Sitz in Lübeck. Die dazugehörige Domain ist auf eine Adresse in Bad Schwartau registriert. Kerngeschäftsgebiet des Unternehmens ist der Verkauf von Ernährungsplänen. Neben Pless sind an dem Unternehmen zwei Personen aus dem Raum Lübeck beteiligt, beide sind bis jetzt nicht im Zusammenhang mit neonazistischen Aktivitäten aufgefallen. Als Räumlichkeit für seine Seminare und Untersuchungen nutzt Pless neben dem Gebäude in der Kieler Innenstadt auch sein Anwesen in Schwartuck.
Fazit
Mit den Verstrickungen von Henning Pless zeigt sich wieder die Bedeutung einiger Kader insbesondere im Kreis Plön für die ideologische Basis der Neonazi-Szene. Während neonazistische Aktionen selten sind, organisieren sich vermeintlich “intellektuelle” und “bürgerliche” Neonazis offen und haben so ideologische und infrastrukturelle Bedeutung weit über Schleswig-Holstein hinaus. Personen wie z. B. Dietmar Munier, Gerlind Mörig, Henning Pless oder Eckart August werden aufgrund ihres äußerlich angepassten Lebensstils und ihrer Rolle als Arbeitgeber_innen und Gewerbetreibende von Ermittlungsbehörden wie Zivilgesellschaft gleichermaßen ignoriert. Dabei bestellen sie nicht nur den gesellschaftlichen Nährboden für neonazistische Übergriffe, sondern unterstützen diese auch praktisch. Als Beispiele seien hier lediglich die Rolle von Munier als Arbeitgeber für Neonazis wie dem Stellvertretendem NPD-Landesvorsitzenden Jens Lütke und das Verleihen von Fahrzeugen für militante Neonazi-Aktionen (u.a. 01.05.2011 in Husum) oder die mutmaßliche Verstrickung von Eckart August in den “NSU”-Sumpf genannt.
Ratzeburger Neonazi Robert Völker verurteilt
Der bekannte Ratzeburger Neonazi Robert Völker musste sich zum wiederholten Male vor Gericht verantworten. Anklagepunkte waren Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole und Verstoß gegen das Waffengesetz.
Völker ist schon seit Jahren ein bekannter Akteur des subkulturellen rechten Milieus im Südosten Schleswig-Holsteins. So ist er Hauptverantwortlicher der bekannten Neonazi-WG in Ratzeburg, von der immer wieder Übergriffe gegen vermeintliche politische Gegner_innen der Neonazis ausgingen. Nach Sven Witte, Norman Krüger und Nicole Borawski ist mit Robert Völker innerhalb von kurzer Zeit ein weiterer Neonazi aus Ratzeburg oder Umgebung verurteilt worden.
Die Antifa Herzogtum Lauenburg hat den Prozess und die persönliche Entwicklung von Völker in einem Artikel zusammengefasst .
Demonstration gegen NPD-Stammtisch in Pinneberg
Am 11.04. findet in Pinneberg eine antifaschistische Demonstration gegen das Lokal “Rondo” statt, das vom NPD-Kreisverband Pinneberg regelmäßig als Treffpunkt und Veranstaltungsort genutzt wird. Auch der Landesparteitag der Schleswig-Holsteinischen NPD 2011 wurde dort ausgetragen.
Aufruf & weitere Informationen
Demonstration gegen den NPD-Stammtisch im “Rondo”
am 11.04.2013 um 18 Uhr
Bahnhof Pinneberg/Quellental
Antifaschistisches Update im März
In den letzten Wochen gab es in Schleswig-Holstein einige Entwicklungen, die wir hier noch einmal zusammenfassen möchten. Auch soll ein Ausblick auf mögliche Ereignisse in der nahen Zukunft gewagt werden.
Am nächsten Samstag, den 23.03.2013, gibt es einige antifaschistisch relevante Ereignisse.
In Güstrow macht die NPD gegen eine geplante Asylbewerber_innenunterkunft mobil und möchte durch die Stadt marschieren. Im Vorfeld gab es einen neonazistischen Angriff auf das alternative Zentrum “Tikozigalpa” in Wismar. Aktuelle Infos: Rassisten Stoppen! Bündnis .
Am gleichen Tag möchte die “German Defence League” unter der Federführung der Lübecker Rassisten Stephan und Anja Buschendorff in Hamburg gegen einen Moscheebau protestieren. Infos:
Antifa Koordination Lübeck
Für alle, die an dem Tag zu Hause bleiben, gilt es dennoch Augen und Ohren offen zu halten, denn die Bundes-NPD plant den inoffiziellen Auftakt ihrer Kampagne zur Bundestagswahl im September. Unter dem Motto “Sozial geht nur National” soll am 23.03. soziales Engagement bewiesen werden. Die genaue Ausgestaltung des Aktionstages obliegt den Mitgliedern vor Ort. Konkrete Aktionen sind für Schleswig-Holstein noch nicht bekannt. Auch ist unklar, ob der desolate Zustand der neonazistischen Strukturen Aktionen zulässt. Wenn Aktionen stattfinden, ist mit dem üblichen Verhaltensrepertoire zu rechnen: neben Denkmälern haben Neonazis aus Schleswig-Holstein auch schon Tierheime besucht oder sich inkognito an Müllsammelaktionen beteiligt.
Am ersten Wochenende nach Ostern (06./07.04.) findet der Bundesparteitag der NPD statt. Neben dem spannenden Ausgang in Anbetracht der massiven Machtkämpfe innerhalb der Partei in den letzten Monaten plant die Partei in der Zeit zwischen dem Parteitag und Pfingsten (19./20.05.) eine erste Propaganda-Offensive. Bundesweit ist jeder Kreisverband angehalten, in diesen Wochen zwei Infotische zu organisieren. Außerdem sollen die Landesverbände im Laufe des Sommers Demonstrationen durchführen. So unrealistisch dieses Vorhaben bundesweit ist, dürfte insbesondere in Schleswig-Holstein durch die zeitliche Überschneidung mit der Kommunalwahl im Mai eine erhöhte Motivation seitens der Neonazis vorliegen.
Nun die Ereignisse der letzten Wochen:
Am 23.02. hielt die selbsternannte “Bürgerbewegung Pro Deutschland” einen Infotisch in Lübeck ab. Neben Prominenz aus der Bundespartei nahmen Mitglieder der “German Defence League” um das Ehepaar Buschendorff an der Aktion teil. “Pro Deutschland” hat inzwischen auch eine Landesliste, mit Stephan Buschendorff als Spitzenkandidaten, für Schleswig-Holstein aufgestellt.
Am 02.03. hielt die NPD um Daniel Nordhorn einen Infotisch in Bad Bramstedt ab. Neben den üblichen Neonazis aus dem Kreisverband Segeberg-Neumünster waren auch bekannte Kieler Neonazis beteiligt.
Schlagzeilen machte in den letzten Wochen die Neonazistin Maren Preisinger aus Bühnsdorf bei Bad Segeberg. Maren Preisinger hat sich, wie weite Teile der Familie Preisinger, der nationalsozialistischen Pädagogik nach der “Philosophin” Mathilde Ludendorff verschrieben. Sie ist Führungsmitglied im “Bund für Gotteserkenntnis” (kurz: “Die Ludendorffer“). Diese antisemitische Sekte unterstützt seit den 20er Jahren die Nazis und wurde 1937 von Erich Ludendorff und Adolf Hitler persönlich anerkannt. Die Familie Preisinger ist innerhalb der braunen Esoterik-Szene bekannt für die Nachwuchsarbeit. So ist Maren Preisinger Vorsitzende des “Arbeitskreis für Lebenskunde”, der außerhalb von Kiel in Osselberg ein Schulungszentrum für Jugendfreizeiten betreibt. Ihre pädagogischen Aktivitäten werden sich in Zukunft auf braune Erlebnispädagogik beschränken, denn aufgrund ihrer Verstrickungen in die Neonazi-Szene verlor sie ihre Arbeitsstelle an einer Schule in Reinfeld.
Am 16.03. spielte die Neonazi-Band “Words of Anger” aus Ostholstein auf einem Rechtsrock-Konzert in Frankfurt/Oder. Die Gruppe um Marko Eckert hat sich anscheinend nach diversen Unterbrechungen (Eckert spielt auch in der Band “Oidoxie” und anderen) wieder etabliert und tritt regelmäßiger auf.
Am 20.03. endete der Prozess gegen den Neonazi Sven Witte , der vor einem Jahr rechte Parolen und Mordaufrufe an die Fassade des Ratzeburger Rathauses und die Häuser von Mitgliedern des “Ratzeburger Bündnis für Demokratie und Menschenrechte” geschmiert hatte.
Auch antifaschistische Aktivitäten nahmen in den letzten Wochen an Fahrt auf, so wurde u.a. mit dem “Rondo” einer der wichtigsten Treffpunkte der NPD geoutet und die Kampagne “Diy” ruft zu antifaschistischen Aktionen gegen die NPD
auf.
Ergänzung: Am 27.3. fiel das Urteil gegen die Möllner Neonazis Norman Krüger und Nicole Borawski, die in der Silvesternacht 2011/12 mit einem Mob aus 10-15 weiteren Neonazis auf dem Ratzeburger Marktplatz zunächst wiederholt rechte Parolen riefen und sich daraufhin in eine körperliche Auseinandersetzung mit der Polizei verwickeln ließen.
NPD-Infostand in Neumünster – Peinlicher Auftritt für Daniel Nordhorn
Die NPD hatte wohl gehofft, dass niemand es rechtzeitig mitbekommt. Als die rund 10 Neonazis am 16.2. den Kantplatz erreichten, um dort ihren Infostand aufzubauen, wurden sie jedoch bereits von etwa 60 Gegendemonstrant_innen erwartet, die sich rund um den Platz postiert hatten.
Die wenigen Passant_innen liefen am Stand nicht einmal vorbei und jeder Versuch einer Ansage mit dem Megaphon wurde durch laute Protestrufe übertönt. Drei Stunden lang harrten die “Kameraden” aus, dann beendete der Anmelder Daniel Nordhorn seinen peinlichen Auftritt.
Angriff auf DGB-Kundgebung in Husum, 1.5.2011 – Eine Aufarbeitung
Einleitung
Am 1. Mai 2011 griff eine Gruppe Neonazis eine zivilgesellschaftliche Kundgebung zum Tag der Arbeit in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Husum an. Dieser Angriff sorgte bundesweit für Schlagzeilen und bewies so vermeintlich die zur Disposition stehende Handlungsfähigkeit der Neonazi-Szene. Die antifaschistische Öffentlichkeit reagierte mit Empörung, die Behörden verfolgten die Täter_innen und die Neonazis feierten ihre Aktion.
Nach fast zwei Jahren Aufarbeitung sind inzwischen viele Fakten bekannt und sollen hier zusammengefasst dargestellt werden. Neben der Aufklärung über den Übergriff soll dabei auch Raum sein, um anhand der Geschehnisse Schlüsse über die Wirkmechanismen der neonazistischen Strukturen in Schleswig-Holstein abzuleiten.
Ereignisse
Am 1. Mai 2011 zog eine Gruppe von ca. 40 Neonazis im Rahmen einer “Spontandemonstration” durch Husum. Anstatt sich bundesweiten Szene-Veranstaltungen zum 1. Mai anzuschließen zog es ein Teil der lokalen neonazistischen Rechten vor, klandestin mobilisiert durch Husum zu ziehen. Hierzu verkündete das Fronttransparent das Motto “Revolution jetzt”, Flugblätter wurden geworfen. Noch vor dem offiziellen Beginn der gewerkschaftlichen Feierlichkeiten zum 1. Mai am Husumer Hafen erreichten die Neonazis die Szenerie und demolierten Stände und Autos, warfen Mobiliar ins Hafenbecken und schlugen auf Gewerkschaftler_innen und Parteimitglieder_innen ein, die gerade damit beschäftigt waren, ihre Stände aufzubauen. Anschließend flüchtete der rechte Mob und verließ zum größten Teil in einem Autokonvoi die Stadt, welchen die Polizei unweit von Husum stoppen konnte. Die Folgen des Angriffs waren, wie von den Organisator_innen der “Spontandemonstration” geplant, beträchtlich.
Einige der Betroffenen der neonazistischen Gewalt mussten im Krankenhaus behandelt werden und es entstand nennenswerter Sachschaden in der Husumer Innenstadt. Folgerichtig sorgte der Angriff für große gesellschaftliche und mediale Reaktionen.
Beteiligte Strukturen und Personen

Arne Kaehne
Die Zusammensetzung der Teilnehmer_innen des neonazistischen Aufmarsches spiegelt erneut ein Spezifikum der neonazistischen Rechten in Schleswig-Holstein wider. Während in anderen Regionen die Aufteilung der Neonazi-Szene in “Freie Kräfte” und Parteistrukturen sinnvoll erscheint, ist in Schleswig-Holstein eine Unterscheidung zwischen dem radikalen Flügel des NPD-Landesverbands und den kameradschaftlichen Strukturen kaum zu treffen. So werden vermeintliche Aktionen der “Freien”, wie der “Trauermarsch”, der bis letztes Jahr jährlich in Lübeck stattfand, stets maßgeblich von NPD-Mitgliedern mitgetragen und umgekehrt wird die Parteipropaganda der NPD von den meisten parteiunabhängigen Strukturen unterstützt. Insbesondere die Funktionäre Roland Siegfried Fischer und Jörn Lemke sind nicht eindeutig einem der beiden Lager zuzuordnen .
Diese Einheit der NPD und den “Freien Kräften” bekommt erst in jüngster Vergangenheit Risse. So gab es Aufrufe zum Wahlboykott aus der Kameradschaftsszene vor der letzten Wahl, V-Person-Gerüchte um Jörn Lemke und den Parteiaustritt von Roland Fischer
. Auch die Ereignisse in Folge des Angriffs in Husum dürften die Kooperationsbereitschaft in der “Szene” beschädigt haben, dazu unten mehr.

Stefanie Kohrn
Angereist sind die Teilnehmer_innen der Aktion in Husum aus großen Teilen Schleswig-Holsteins und aus Hamburg, wobei insbesondere größere Reisegruppen aus dem Hamburger Umland, Kiel und Flensburg die lokalen Neonazis unterstützten. Als Organisatoren mit örtlichem Bezug werden vor allem Christopher Hansen (Husum) und Arne Kaehne (Oster-Ohrstedt) genannt. Letzterer ist ein bekannter NPD-Kandidat, der mit seiner Schwester Silke, die inzwischen aufgrund einer Heirat Hansen heisst, seit Jahren als ein wichtiger neonazistischer Drahtzieher im Norden Schleswig-Holsteins gilt. So sagte ein Neonazi aus Flensburg gegenüber den Ermittlungsbehörden aus, dass Arne Kaehne ihn und seine Gruppe zu der Demonstration geleitet habe und schon vor Beginn der Ereignisse den Angriff auf die DGB-Kundgebung als Marschrichtung vorgab. Aus Husum war außerdem der örtliche NPD-Kandidat Marc-Richard Tenten anwesend. Als Tonangeber der Gruppe aus Flensburg wurden Andreas F. und Michael C. (beide Flensburg-Weiche) in der Aussage benannt.
Aus Kiel und Umgebung waren drei Autos von Neonazis vertreten. Die personelle Zusammensetzung der Gruppe trägt die Handschrift des damaligen NPD-Kaders Roland Fischer, neben ihm und dem damaligen Landesvorsitzenden der NPD, Jens Lütke (Preetz), waren vor allem Mitglieder der “Freien Nationalisten Kiel” (FN KI) und deren Umfeld an der Aktion beteiligt. Die FN KI sind eine lose Unterstützungsgruppe der örtlichen NPD-Strukturen, die maßgeblich von Roland Fischer ins Leben gerufen wurde. Neben den Autos von Fischer und Lütke wurde das des Neonazis Timo R. für die Fahrt von Kiel nach Husum genutzt. Abgesehen von subkulturell geprägten Neonazis aus den Vororten Kiels ist vor allem die Beteiligung von Stefanie Kohrn zu erwähnen. Die ehemalige NPD-Kandidatin und jetziges Mitglied der FN KI erlangte größere Bekanntheit, als sie 2011 das Mobilisierungsvideo für den “Trauermarsch” in Lübeck mit Roland Fischer zusammen drehte . Fischer selbst wurde in
einer der Aussagen der Neonazis bei der Polizei belastet, in Husum mit einem Tisch auf politische Gegner_innen eingeschlagen zu haben.

Marc-Richard Tenten
Aus dem Hamburger Umland ist vor allem die Beteiligung des Anti-Antifa-Aktvisten Dennis Brandt zu erwähnen, der nach den Ereignissen von Husum ebenfalls eine umfassende Aussage bei dem polizeilichen Staatsschutz machte .
Die Ereignisse selbst, deren zeitlicher Ablauf und die Aussagen der Neonazis bei der Polizei sprechen für einen geplanten Angriff, der konsequent in die Taktik die neonazistischen Strukturen in Schleswig-Holstein passt, dem antifaschistischen Widerstand durch interne Mobilisierungen zu entgehen. Auch zeigte sich zum wiederholten
Male, dass auch in der vermeintlich biederen NPD fast durchgehend eine positive Einstellung gegenüber der militanten Durchsetzung der neonazistischen Zielsetzungen herrscht.
Die Mobilisierung selbst erfolgte durch interne Kommunikationsmittel und war so koordiniert, dass die Teilnehmer_innen mit unterschiedlicher Anreisedauer gleichzeitig in Husum eintrafen. Auch reisten nicht alle Neonazis direkt an, sondern es existierten Vorabtreffpunkte. So sollen z. B. Teile der Flensburger Neonazis zuerst nach Niebüll gefahren sein, um von dort mit “Kameraden” der AG Niebüll gemeinsam anzureisen.
Terminiert war die Anreise so, dass die Demonstration spätestens gegen neun Uhr morgens starten konnte, damit ein Angriff auf politische Gegner_innen noch vor der offiziellen Eröffnung der gewerkschaftlichen Kundgebung um 10 Uhr erfolgen konnte.
Repression und weitere Folgen für die Neonazi-Szene
In der Folge des neonazistischen Übergriffs in Husum konnten die Ermittlungsbehörden 36 Personen als mutmaßliche Beteiligte identifizieren und durchsuchten deren Wohnungen. Es ergingen Strafbefehle gegen viele Neonazis, erst am 14.02.2013 mussten sich Marc-Richard Tenten und Stephan K. in Flensburg vor Gericht verantworten .
Damit ist die juristische Aufarbeitung der Geschehnisse vermutlich abgeschlossen. Auch wenn sich die Folgen auf Geldstrafen beschränkten, hinterließ der Druck der Öffentlichkeit und der Ermittlungsbehörden deutliche Spuren. Drei Neonazis sollen nach den Ereignissen mit den Ermittlungsbehörden kooperiert haben: Der schon vorher abtrünnige ehemalige NPD-Kandidat Kevin Stein, der in der Kameradschaftsszene bekannte Dennis Brandt und ein Neonazi aus Flensburg. Deren Aussagen belasteten einige “Kameraden” schwer und ließen Einblicke in die neonazistischen Organisationsformen in Schleswig-Holstein zu. Als vor der letzten Wahl Neonazis Teile der NPD-Spitze (insbesondere Roland Fischer und Jörn Lemke) als Verfassungsschutzmitarbeiter outeten, tauchten schnell Gerüchte in der Szene auf, wer der verborgene Denunziant sein könnte. Insbesondere die abtrünnigen Dennis Brandt und Kevin Stein werden in diesem Zusammenhang genannt und verdächtigt, Stimmung gegen die NPD gemacht zu haben.
Auch aktuell wird der Überfall von Husum, vor allem aber dessen Folgen immer wieder in neonazistischen Veröffentlichungen erwähnt. Meist ist in diesem Zusammenhang nicht mehr von einem aktionistischen Erfolg die Rede, sondern wird die Opferrolle im Angesicht der vermeintlich unberechtigten Folgen eingenommen.
Fazit
Direkt nach den Ereignissen von Husum schien die neonazistische Szene eines ihrer Dilemmas, nämlich zu wenig aktionistische Plattform für erlebnisorientierte und gewaltaffine junge Neonazis zu bieten, überwunden zu haben. Antifaschistische Zusammenhänge, Zivilgesellschaft und Ermittlungsbehörden wurden gleichermaßen überrascht und im “Kampf um die Strasse” konnte ein Zeichen gesetzt werden. Dies sprach vor allem Neonazis an, die sich nicht dafür begeistern lassen, bei angemeldeten Veranstaltungen stundenlang hinter Polizeiketten zu verharren oder bei Infoständen sich buchstäblich die Beine in den Bauch zu stehen.
Konsequenterweise nahmen deshalb in Husum auch Neonazis teil, die nie zuvor bei angemeldeten Demonstrationen oder Infoständen aufgetaucht waren. Umgekehrt fehlte ein Teil des “biederen Spektrums”.
In der Folge waren die neonazistischen Strukturen Schleswig-Holsteins nicht in der Lage, mit den Folgen der Aktion adäquat umzugehen.
Kritische Medienberichte, Aktionen antifaschistischer Zusammenhänge und die Hausdurchsuchungen und Geldstrafen der staatlichen Stellen bewirkten Verunsicherung bis hin zu Aussagen gegen “Kameraden” und gegenseitige Anfeindungen. Auch wenn im Moment viele andere Belastungsfaktoren insbesondere den NPD-Landesverband schwächen , hat der Angriff von Husum und dessen Folgen im Nachhinein die neonazistische Szene destabilisiert.
Aktuelle Entwicklungen bei “Polen-schlüssel”
Nach unserer Veröffentlichung der neofaschistischen Hintergründe eines neuen Geschäfts am Vinetaplatz in Kiel hat die Geschäftsführung von “Polenschlüssel” gewechselt. Lars Bergeest ist zumindest offiziell nicht mehr Geschäftsführer. Eingesprungen ist für ihn Karsten Mohr.
Auch die örtlichen Medien sind auf das Geschäft aufmerksam geworden, außerdem hat die Autonome Antifa-Koordination Kiel einen Text dazu veröffentlicht.
Ausdrücklich möchten wir dem Eindruck der Kieler Nachrichten widersprechen, dass die Betreiber “ehemalige Rechtsextreme” seien. Der letzte Prozess gegen Alexander Hardt mit dem Vorwurf neonazistischer Übergriffe fand erst vor wenigen Monaten statt und Lars Bergeest ist aktuell noch in der Rechtsrockszene um das “Blood and Honour”-Netzwerk aktiv. In unserem ersten Artikel zu diesem Thema haben wir diese Zusammenhänge näher beleuchtet.
1. Artikel der Kieler Nachrichten
2. Artikel der Kieler Nachrichten (dokumentiert bei linksunten indymedia)
Text der Autonomen Antifa-Koordination Kiel
Dietmar Munier verliert Bankkonto
Wie der Blick nach Rechts (BNR) in einem Artikel berschreibt , verlor der neonazistische Verleger Dietmar Munier aus Martensrade im Kreis Plön seine Bankverbindung. Grund war eine Kündigung durch die Bank aufgrund seiner rechten Umtriebe. Dagegen klagte Munier bis zum Bundesgerichtshof und verlor.
Im diesem Zusammenhang beschreibt der BNR auch lesenwerte Auszüge der neonazistischen Karriere Muniers und den Umfang seiner Aktivitäten.
Auch wir sind in unserem ersten Leitartikel kurz auf die Rolle von Munier in der neonazistischen Szene eingegangen.
Quelle: http://www.bnr.de/artikel/hintergrund/rechter-geschaeftsmann-ohne-bank